Montag, 21. März 2011

"Mehrvergleich" - OLG Celle: Verfahrensgebühr + 1,2 Terminsgebühr + 1,5 Vergleichsgebühr fallen aus dem vollen Gegenstandswert an.

Das ist die gute Nachricht: Schließen die Parteien in einem Gerichtsverfahren einen Vergleich über nicht verfahrensgegenständliche Dinge ab ( sog. Mehrvergleich), dann fällt für die Anwälte die Verfahrensdifferenzgebühr plus die Terminsgebühr auch aus dem mitverglichenen Teil plus die Vergleichsgebühr an - für den nicht rechthängigen Teil sogar die 1,5 Gebühr des VV 1000!. Und jetzt die schlecht Nachricht: Bis auf die Vergleichsgebühr sind sie im VKH-Fall aus der Staatskasse angeblich nicht erstattungsfähig.

Der Mehrvergleich stellt sämtliche Beteiligten immer wieder vor die Frage: Welche Gebühren fallen an? Das OLG Celle, Az. 10 WF 6/11 v. 21.01.2011 = BeckRS 2011, 01903 hat sich nun für die Maximallösung entschieden. Es fallen an:
  • Die 1,3 Gebühr des VV 3100 aus dem gesamten Gegenstandswert ( incl. Vergleich)
  • die 1,2 Terminsgebühr des VV 3104 aus dem gesamten Gegenstandswert
  • die 1,0 Einigungsgebühr, soweit der Gegenstand des Vergleichs rechtshängig war
  • plus die 1,5 Einigungsgebühr,soweit der Gegenstand des Vergleichs nicht rechtshängig war,
  • jedoch höchstens die 1,5 Einigungsgebühr aus dem gesamten Gegenstandswert.
Dazu gibt das OLG etliche Rspr.-Hinweise. Lesenswert in diesem Zusammenhang auch (der zustimmende) Schneider in MAV-Mitteilungen, 12/10, S. 8 f. ( Achtung! pdf = 5 MB groß! Nicht über lange Ladezeit wundern!)

Jedoch: Nach Ansicht des OLG sind diese Gebühren im Rahmeen der VKH aus der Staatskasse nicht erstattungsfähig. Gründe:
  1.  Werden das Gericht im Termin mit einem Vergleich "überfallen", könne es die Erfolgsaussichten der Vergleichsparteien für einen Rechtsstreit über den nicht rechtshängigen Teil nicht auf die Schnelle prüfen. Erstrecke es die VKH dann doch auf den Vergleich, gelte die Erstreckung nur für die Vergleichsgebühr, und deshalb sei nur diese erstattungsfähig.
    Das überzeugt nicht. Wie viele Richter geben in Vergleichsgesprächen ohne jede Terminsvorbereitung Einschätzungen über Erfolgsaussichten von REchtsbegehr und Rechtsverteidigung der Parteien ab? Fast alle. Dann sollte es ihnen auch möglich sein, die Erfolgsaussichten im Hinblick auf die VKH überschlägig zu prüfen.
  2. Häufig würden nur unstreitige Sachverhalte mit protokolliert, was die Erfolgsaussichten für den nicht rechtshängigen Teil in Frage stelle. Für bloße Feststellungen ohne gegenseitiges Nachgeben gebe es aber keine VKH.
    Das überzeugt auch nicht. Eine Einigungsgebühr fällt seit 2004 schon dann an, wenn eine Rechtsunsicherheit zwischen den Parteien beseitigt wird, und das ist so gut wie bei jedem Vergleich der Fall. Im vorliegenden Fall war es um Gewaltschutz gegangen. Anschließend hatten die Parteien sich wegen des Umgangs - wohl kaum nur protokollarisch - geeinigt. Der Abschluss des Mehrvergleichs diente hier -  wie so häufig - der Vermeidung eines weiteren Verfahrens, in dem jede der Parteien VKH hätte bekommen müssen. Und dann wären insgesamt höhere Gebühren angefallen.
Per saldo natürlich eine schöne Entscheidung, weil sie die vollen Gebühren zuspricht. Sollte der Bezirksrevisor im Kostenverfahren Probleme machen, sollte man aber lieber den Artikel von Schneider bzw. die vom OLG Celle zitierte Rechtsprechung heranziehen, dort kommt keiner auf die Idee, die Gebühren könnten aus der Staatskasse nicht zu erstatten sein ;-)

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