Montag, 16. Juli 2012

OLG Hamm: Die Adoption von Erwachsenen unterliegt nicht den gleichen strengen Anforderungen wie diejenige von Minderjährigen

Die Tante und ihre zwei Nichten hatten bereits ein enges Verhältnis zu einander, dass von gegenseitiger Hilfeleistung und Betreuung geprägt war. Schon zu Lebzeiten des - inzwischen verstorbenen - Onkels hatten Onkel und Tante ein Testament zugunsten der Nichten aufgesetzt.
Nun wollte die Tante die Nichten (deren Eltern auch schon Jahre verstorben waren) adoptieren, als Ausdruck besonderer Verbundenheit und - erklärtermaßen -, um durch die damit verbundene Änderung der Steuerklasse Erbschaftsteuer zu sparen. Das wollte das AG Gladbeck so nicht akzeptieren und wies den Adoptionsantrag zurück: Es sei bereits zweifelhaft, ob zwischen der Annehmenden und den Anzunehmenden eine Eltern-Kind-Beziehung bestehe oder nur eine gute verwandtschaftliche Beziehung zu einer alleinstehenden Tante. Indes könne dies dahinstehen, da die Adoption sittlich nicht gerechtfertigt sei. Die sittliche Rechtfertigung fehle dann, wenn wirtschaftliche Interessen das Hauptmotiv für die Adoption seien. Verbleibende Zweifel an der Motivationslage wirkten sich dabei zulasten der Antragsteller aus. Die persönliche Anhörung habe ergeben, dass die gewünschte Einsparung der Erbschaftssteuer den Hauptgrund für den Adoptionsantrag darstelle.

Die Beschwerde zum OLG Hamm hatte Erfolg: Das OLG entschied mit Beschluss vom28.06.2012, Az. II-2 UF 274/11 = BeckRS 2012, 15238:
1. Die Anforderungen, die an die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu stellen sind, müssen im Rahmen der Erwachsenenadoption nicht dieselben sein wie bei der Minderjährigenadoption. (amtlicher Leitsatz)
2. Bei der Annahme von Personen vorgerückten Alters sind an die Unterhaltung dauernder persönlicher Beziehungen weniger weitgehende Anforderungen zu stellen als bei der Adoption minderjähriger Kinder, wie auch bei leiblichen Verwandten die Familienbeziehungen sich im Lauf der Jahre zu lockern oder andere Formen anzunehmen pflegen. (amtlicher Leitsatz)

Im Übrigen sei es unschädlich, wenn die Adoption auch einen wirtschaftlichen Hintergrund hätte - wie hier das Einsparen der Erbschaftsteuer. Sie dieser Effekt allenfalls erwünschte Nebenfolge der begehrten Annahme ist, stehe dies der Annahme eines natürlichen Eltern-Kind-Verhältnisses nicht im Weg.