Donnerstag, 29. November 2012

Die Terminierung einer Unterhaltssache auf den 11.11. um 11:11 Uhr verstößt nicht gegen die Menschenwürde


Der Amtsrichter hatte die Unterhaltssache auf den 11.11. um 11:11 Uhr terminiert. Die beteiligte Ehefrau hielt den Richter deswegen für voreingenommen und lehnte ihn wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.

Das OLG München (Beschluss vom 10.12.1999 Az.: 26 AR 107/99) wies den Befangenheitsantrag zurück und bewies dabei selbst Humor:  Hätte der Amtsrichter den Termin auf den 11.11. um 11:10 angesetzt, hätte die Antragstellerin dabei sicher nichts gefunden; und auf die zusätzliche Minute könne es nicht ankommen. Ein wenig Humor sei auch in einem Unterhaltsverfahren erlaubt, und die vorgenommene Terminierung sei ein "kleiner Scherz", der die Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertige, und auf den auch die Beteiligten eines Unterhaltsverfahrens gelassen reagieren können.

Mittwoch, 28. November 2012

OLG Bremen: Die Aufnahme eines Bildungskredits für Finanzierung eines Studiums ist unterhaltsrechtlich nicht zumutbar.

Die unterhaltsberechtigte studierendeTochter wollte auf den Bachelor nun auch noch den Master setzen und verlangte eine Unterhaltserhöhung wegen gestiegenen Bedarfs. Der verpflichtete Vater war grundsätzlich zur Unterhaltszahlung bereit, widersetzte sich aber einer Erhöhung. Stattdessen könne die Tochter ihren erhöhten Bedarf auch durch einen Bildungskredit zwischenfinanzieren.

Das OLG Bremen (Beschluss vom 10.09.2012, Az.: 4 UF 94/12) folgte ihm nicht. Zwar müsse ein Unterhaltsberechtigter grundsätzlich auch eine Finanzierung seines Bedarfs durch Aufnahme eines Kredits ins Auge fassen, das allerdings nur, wenn ihm diese Vorgehensweise zumutbar sei. Das sei z.B. bei einem Bafög-Darlehen der Fall, weil es zinslos gewährt werde, weil die Rückzahlungsbedingungen günstig seien und oft die Möglichkeit eines Teilerlasses bestünde. Bei einem Bildungskredit sei das nicht so. Er sei zu verzinsen und sehe keinen Erlass und keine Rückzahlungsvergünstigungen vor. Das OLG folgte dem Amtsgericht und sprach höheren Unterhalt zu.

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Freitag, 16. November 2012

OLG Hamm: Wer sich wahrheitsgemäß bewirbt, kann unterhaltsrechtlich leichtfertig handeln...

... wenn er sich auch im Übrigen nicht im besten Lichte darstellt. Das OLG Hamm (II-13 UF 169/11, Rz. 96, Leitsätze in FamRZ 2012, 1734) wies den Unterhaltsanspruch einer langjährig durch Kindererziehung an der Berufsausübung gehinderten Mutter teilweise zurück. Sie habe sich nicht so beworben, dass sie eine ernsthafte Chance auf einen Job gehabt hätte:
"Die Klägerin hat über 15 Monate hinweg einen einzigen Bewerbungstext verwendet. Bereits der erste Satz des Schreibens enthält einen unübersehbaren Schreibfehler, indem das Personalpronomen der Anrede klein geschrieben ist. Dieser Umstand in Verbindung mit der nachfolgenden Betonung der jahrzehntelangen Familienphase muss so gut wie zwangsläufig dazu führen, dass die Bewerbungen bereits in der ersten Vorsortierphase herausfallen. Das im Anschluss verwendete Bewerbungsschreiben weist grammatische Fehler auf und bedingt daher ebenfalls die Erfolglosigkeit der Bewerbung bereits im frühen Stadium der Auswahl. Die Klägerin hat sich durchgehend zu einem ganz erheblichen Teil auf Stellenausschreibungen beworben, die verschiedene zwingende Qualifikationsvoraussetzungen nannten, über die die Klägerin nicht verfügte. Die Bewerbungsschreiben gehen mit keinem Wort darauf ein, warum die Klägerin sich dennoch auf diese Stelle bewirbt und wie sie gegebenenfalls das Fehlen der vorgegebenen Qualifikationen ausgleichen könnte. Es fehlen zudem so gut wie vollständig Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen, was für die Klägerin als faktisch ungelernte Kraft noch die beste Möglichkeit des Wiedereinstiegs ins Berufsleben gewesen wäre. Die Klägerin hat zudem selbst kein Zeitungsinserat geschaltet, auch nicht als Haushaltshilfe o.ä.. Besonders auffällig, sogar unverständlich ist angesichts der Tätigkeit der Klägerin von April 2004 bis Dezember 2006 der Umstand, dass die Klägerin in keinem einzigen ihrer Bewerbungsschreiben auf dieses Arbeitsverhältnis und die daraus gewonnenen Erfahrungen und Kompetenzen verweist."
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Donnerstag, 15. November 2012

Und am Ende der Ehe steht das Haus am See...

Die Parteien hatten 1972 geheiratet, sich 1990 getrennt und erst 2009 scheiden lassen. Im Vermögen des Ehemannes befanden sich drei Grundstücke an einem oberbayerischen See (Einfamilienhaus plus Bootshaus plus Badehaus), die zunächst mit einem Nießbrauch zugunsten seiner Mutter belastet waren, der jedoch 1984 aufgehoben wurde. Dadurch legte das Vermögen des Ehemanns während der Ehe enorm an Wert zug. Der Ehemann wollte nun den Zugewinnausgleich vermeiden mit der Begründung, er sei nach § 1381 BGB unbillig, Das OLG München, Az. 12 UF 777/12 = BeckRS 2012, 21880 vermochte ihm nicht zu folgen und verurteilte ihn zu einer Zugewinnausgleichszahlung von 344.175,90 €. Es stellte fest: 

1. Eine lange Trennungszeit allein genügt nicht für die Annahme einer unbilligen Härte im Sinne des § 1381 Abs. 1 BGB. Es müssen darüber hinaus Umstände vorliegen, die eine unbillige Härte begründen können. (amtlicher Leitsatz)
2. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2002, 606 ff. Rz. 31 und 32) ist dies der Fall, wenn das Vermögen erst nach der Trennung erwirtschaftet wird und somit bei einer Wertsteigerung nach Trennung der Eheleute die innere Beziehung zur ehelichen Lebensgemeinschaft fehlt. (amtlicher Leitsatz)
3. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der einzige Vermögensgegenstand, der eine außergewöhnliche Wertentwicklung erfahren hat, bereits während intakter Ehe angeschafft wurde, auch wenn die maßgebliche Wertsteigerung ohne Zutun der Ehegatten erst nach der Trennung erfolgt. (amtlicher Leitsatz)
4. Der Maßstab der "unbilligen Härte" in § 27 VersAusglG und in § 1381 BGB sind von den Voraussetzungen nicht vollständig vergleichbar. (amtlicher Leitsatz)
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Mittwoch, 14. November 2012

OLG Stuttgart: Fachschule für Sozialpädagogik gehört nicht mehr zur allgemeinen Schulausbildung i.S. v. § 1603 II BGB

Der Vater klagt auf Wegfall des Kindesunterhalts. Seine volljährige Tochter befinde sich nicht mehr in der allgemeinen Schulausbildung. Sie habe  - jeweils in Baden-Württemberg - zunächst das einjährige Berufskolleg für Praktikantinnen und Praktikanten besucht und gehe nun zwischenzeitlich auf die Fachschule für Sozialpädagogik. Er sei zwei weiteren minderjährigen Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet und müsse daher nichts mehr zahlen. Der besondere Schutz des  § 1603 II S. 1 BGB gelte nicht mehr. Die Tochter trete in der Rangfolge des § 1609 BGB zurück.

Das OLG Stuttgart, 18 WF 229/12 = BeckRS 2012, 21631 gibt ihm Recht:
"Der Begriff der allgemeinen Schulausbildung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung unter Heranziehung der zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG entwickelten Grundsätze auszulegen. Danach hat eine Eingrenzung des Begriffs in drei Richtungen zu erfolgen: Nach dem Ausbildungsziel, der zeitlichen Beanspruchung des Schülers und nach der Organisationsstruktur der Schule. Ziel des Schulbesuchs muss der Erwerb eines allgemeinen Schulabschlusses als Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder den Besuch einer Hochschule oder Fachhochschule sein, also jedenfalls der Hauptschulabschluss, der Realschulabschluss, die fachgebundene oder die allgemeine Hochschulreife. Diese Voraussetzung ist beim Besuch der Hauptschule, der Realschule, der Gesamtschule, des Gymnasiums und der Fachoberschule immer erfüllt. Anders zu beurteilen ist der Besuch einer Schule, die neben allgemeinen Ausbildungsinhalten bereits eine auf ein konkretes Berufsbild bezogene Ausbildung vermittelt (BGH FamRZ 2002, 815)."
 Und die besuchten Einrichtungen seien nicht auf einen allgemeinen Schulabschluss ausgerichtet sondern auf den Zugang zu einem konkreten Beruf. Daher befinde sich die volljährige Tochter nicht mehr in der allgemeinen Schulausbildung und geniesse den Schutz des § 1603 II S. 1 BGB nicht mehr.

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Dienstag, 13. November 2012

OLG Nürnberg: Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch trotz gegenläufigem Jugendamtstitel

Einem Elternteil, der Unterhaltsleistungen für den anderen mit übernimmt, gesteht der BGH seit geraumer Zeit einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch zu, vgl. z.B. BGH FamRZ 1994, 1102. Das gitl z.B. für Kindergartenkosten, die der eine zahlt und an denen sich der andere eigentlich mitbeteiligen müsste. Das gilt aber auch für den Regelunterhalt in den Fällen, in denen das Kind plötzlich vom einen Elternteil zum anderen umzieht und der Alleingelassene sich (zunächst) weigert, Unterhalt zu zahlen.
Diesem Ausgleichsanspruch setzt der BGH allerdings eine Grenze: Er besteht nicht, wenn der vom zahlenden Elternteil geleistete Barunterhalt einer in einem rechtskräftigen Urteil festgestellten Unterhaltsverpflichtung dieses Elternteils entspricht. Also: Existiert aus der Zeit vor dem Umzug des Kindes ein Unterhaltsurteil gegen den Elternteil, bei dem das Kind jetzt wohnt, hat dieser Elternteil im Zweifel auf das Urteil geleistet und nicht eine Verpflichtung des anderen erfüllt. Denn der Ausgleichsanspruch sei  lt. BGH nicht dazu bestimmt, gerichtlich festgesetzte Unterhaltsverpflichtungen, die auf einer Abwägung der Leistungsfähigkeit beider Eltern beruhen, durch einen Ausgleich von Unterhaltsanteilen im Verhältnis der Eltern zueinander abzuändern. In solchen Fällen muss man also einerseits einen Titel gegen den alleingelassenen Elternteil erwirken und andererseits die Abänderung des gegen einen selbst gerichteten Titels auf Null beantragen.
Von dieser Ausnahme macht das OLG Nürnberg (Beschluss vom 24.10.2012, Az.: 7 UF 969/12 = BeckRS 2012, 22466) nun wiederum eine Ausnahme: Handelt es sich nicht um ein Urteil sondern um einen Jugendamtstitel, besteht der Ausgleichsanspruch trotzdem.
Das Gericht argument wie folgt:
"Allerdings kommt dieser Urkunde, anders als einer gerichtlichen Entscheidung, keine Rechtskraftwirkung zu, um deren Schutz es dem BGH mit der wiedergegebenen Argumentation in den genannten Entscheidungen offensichtlich geht. ...
Der Senat ist deshalb der Auffassung, dass die Existenz der Jugendamtsurkunde ... der Annahme, dass der Antragsteller im vorliegenden Fall mit der - angesichts der ausbleibenden Zahlungen der Antragsgegnerin notgedrungenen - Übernahme des Barunterhalts für das Kind S. eine Verbindlichkeit erfüllt hat, die sich im Verhältnis zum Kind als Verpflichtung der Antragsgegnerin darstellt, nicht entgegensteht."
 (C) Foto .Michael Staudinger / pixelio.de

Montag, 12. November 2012

OLG Nürnberg: Kein "Querschussrecht" des Ehebrechers, wenn die Familie funktioniert.

Eigentlich steht's ja so schon im Gesetz: Der mutmaßliche biologische Vater (also der, mit dem die Ehefrau fremdgegangen ist) kann die Vaterschaft des rechtlichen Vaters (also des Ehemanns) zwar anfechten, allerdings so lange nicht, wie zwischen Scheinvater, Ehefrau und Kind eine sozial-familiäre Gemeinschaft besteht, § 1600 II, IV BGB. Und weiter: Auch wenn Mutter und Scheinvater inzwischen getrennt leben, bleibt es dabei, wenn vorher über längere Zeit hinweg die häusliche Gemeinschaft zwischen den dreien bestanden hat. Und schließlich: Der nichteheliche Scheinvater(also der Lover, der im guten Glauben die Vaterschaft anerkannt hat), ist in gleicher Weise geschützt.

Schon das BVerfG hatte gegen diese gesetzliche Regelung nichts einzuwenden, vgl. zuletzt BVerfG NJW 2009, 423. Der Antragsteller im vom OLG Nürnberg zu entscheidenden Fall (Az.: 11 UF 1141/12 vom 06.11.2012 = BeckRS 2012, 22634) verwies jedoch auf die Menschenrechtskonvention und zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs - allerdings ohne Erfolg. Das OLG Nürnberg urteilte:

"Die gesetzliche Regelung steht im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Antragstellers auch in Einklang mit der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers in § 1600 Abs. 2 und 3 BGB ausdrücklich bestätigt. Zwar hat der EGMR in Bezug auf das Umgangsrecht des leiblichen Vaters mit seinem bei den rechtlichen Eltern lebenden Kind die geltende deutsche Rechtslage beanstandet und eine Verletzung des mutmaßlichen leiblichen Vaters in seinem Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK gesehen, wenn ihm ein Umgangs- und Auskunftsrecht hinsichtlich des Kindes, das mit seiner Mutter und dem rechtlichen Vater zusammen lebt, wegen des Fehlens einer sozial-familiären Beziehung verweigert wird, ohne zu prüfen, ob der Umgang des leiblichen Vaters mit dem Kind im Einzelfall dem Kindeswohl entspricht (EGMR NJW 2012, 2781).

Der EGMR hat in zwei Entscheidungen vom 22.03.2012 (Az.: 45071/09 und 23338/09; bei Juris) jedoch klargestellt, dass es sich um ein gänzlich anderes und viel weitergehendes Ziel handelt, den Status als rechtlicher Vater eines Kindes zu erhalten und die Vaterschaft eines anderen Mannes zu beenden, als lediglich zum Zweck des Umgangs mit dem Kind die biologische Vaterschaft klären zu lassen. Es sei zwar konventionsrechtlich verpflichtend, sicherzustellen, dass der biologische Vater nicht vollständig aus dem Leben des Kindes ausgesperrt werden könne, wenn es keine einschlägigen Kindeswohlgründe dafür gebe. Aus Art. 8 EMRK könne jedoch nicht die Verpflichtung abgeleitet werden, dem biologischen Vater zu erlauben, die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anzufechten oder ein statusunabhängiges Verfahren zur Klärung der leiblichen Vaterschaft zur Verfügung zu stellen (vgl. auch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nichtrechtlichen Vaters). Der EGMR hat in den beiden genannten Entscheidungen vom 22.03.2012 ausdrücklich betont, dass die Entscheidung, ob dem vermeintlichen biologischen Vater die Vaterschaftsanfechtung zu gestatten ist, innerhalb des staatlichen Ermessens- und Beurteilungsspielraums liegt (vgl. EGMR, Az. 23338/09 Rn. 79; Az. 45071/09 Rn. 75). "
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