Dienstag, 13. November 2012

OLG Nürnberg: Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch trotz gegenläufigem Jugendamtstitel

Einem Elternteil, der Unterhaltsleistungen für den anderen mit übernimmt, gesteht der BGH seit geraumer Zeit einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch zu, vgl. z.B. BGH FamRZ 1994, 1102. Das gitl z.B. für Kindergartenkosten, die der eine zahlt und an denen sich der andere eigentlich mitbeteiligen müsste. Das gilt aber auch für den Regelunterhalt in den Fällen, in denen das Kind plötzlich vom einen Elternteil zum anderen umzieht und der Alleingelassene sich (zunächst) weigert, Unterhalt zu zahlen.
Diesem Ausgleichsanspruch setzt der BGH allerdings eine Grenze: Er besteht nicht, wenn der vom zahlenden Elternteil geleistete Barunterhalt einer in einem rechtskräftigen Urteil festgestellten Unterhaltsverpflichtung dieses Elternteils entspricht. Also: Existiert aus der Zeit vor dem Umzug des Kindes ein Unterhaltsurteil gegen den Elternteil, bei dem das Kind jetzt wohnt, hat dieser Elternteil im Zweifel auf das Urteil geleistet und nicht eine Verpflichtung des anderen erfüllt. Denn der Ausgleichsanspruch sei  lt. BGH nicht dazu bestimmt, gerichtlich festgesetzte Unterhaltsverpflichtungen, die auf einer Abwägung der Leistungsfähigkeit beider Eltern beruhen, durch einen Ausgleich von Unterhaltsanteilen im Verhältnis der Eltern zueinander abzuändern. In solchen Fällen muss man also einerseits einen Titel gegen den alleingelassenen Elternteil erwirken und andererseits die Abänderung des gegen einen selbst gerichteten Titels auf Null beantragen.
Von dieser Ausnahme macht das OLG Nürnberg (Beschluss vom 24.10.2012, Az.: 7 UF 969/12 = BeckRS 2012, 22466) nun wiederum eine Ausnahme: Handelt es sich nicht um ein Urteil sondern um einen Jugendamtstitel, besteht der Ausgleichsanspruch trotzdem.
Das Gericht argument wie folgt:
"Allerdings kommt dieser Urkunde, anders als einer gerichtlichen Entscheidung, keine Rechtskraftwirkung zu, um deren Schutz es dem BGH mit der wiedergegebenen Argumentation in den genannten Entscheidungen offensichtlich geht. ...
Der Senat ist deshalb der Auffassung, dass die Existenz der Jugendamtsurkunde ... der Annahme, dass der Antragsteller im vorliegenden Fall mit der - angesichts der ausbleibenden Zahlungen der Antragsgegnerin notgedrungenen - Übernahme des Barunterhalts für das Kind S. eine Verbindlichkeit erfüllt hat, die sich im Verhältnis zum Kind als Verpflichtung der Antragsgegnerin darstellt, nicht entgegensteht."
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