Mittwoch, 20. Februar 2013

Hamburg klagt gegen das Betreuungsgeld

Bis zuletzt war das Betreuungsgeld umstritten. Auch Bundespräsident Gauck tat sich beim Unterschreiben des Gesetzes hart. Er habe verfassungsrechtliche Bedenken, die jedoch letztlich die Ausfertigung des Gesetzes nicht gehindert hätten, so äußerte er diese Woche.
Nun ist es da, das Gesetz, und das Betreuungsgeld soll ab dem 01.08.2013 gezahlt werden. Gerade rechtzeitig als Wahlgeschenk zur im September anstehenden Bundestagswahl. Aber es gibt keine Ruhe. Hamburg hat heute gegen das Gesetz beim Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht: "Dem Bund fehlt es an der notwendigen Gesetzgebungskompetenz. Eine bundeseinheitliche Regelung ist nicht erforderlich".
Die Begründung ist also eine formale. Und in der Tat - der Gesetzgeber hat, was finanzielle Familienunterstützung betrifft, einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Ob er ihn während der letzten Jahrzehnte richtig genutzt hat - das steht auf einem anderen Blatt. 

Die Kritik und die Tatsachen rund ums Betreuungsgeld fasst tagesschau.de hier zusammen.

Scheidung auf Italienisch? Nein - jetzt auf Deutsch!

Wenn sich zwei Italiener in Deutschland scheiden lassen wollten, dann war das eine langwierige Angelegenheit. Denn nach dem alten Art. 17 EGBGB unterlag die Scheidung italienischem Recht. Und nach dem kann nur geschieden werden, wer das Getrenntleben durch Gerichtsurteil hat feststellen lassen. Und dann muss er nochmal drei Jahre warten.
Nun wurde der Art. 17 EGBGB geändert, denn nun gibt es die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010. Und nach Art. 5 dieser Verordnung können die Eheleute in Grenzen das Recht wählen, nach dem sie geschieden werden wollen.Zwei itailienisch Eheleute, die in Deutschland leben, können sich z.B. dafür entscheiden, nach deutschem Recht geschieden zu werden. Damit's schneller geht. In etwa so schnell wie im Film: "Scheidung auf Italienisch". Nur ohne Schusswaffengebrauch.

Allerdings hat die Sache zwei Haken:

Zunächst müssen beide Eheleute das deutsche Recht auch wollen. Wenn die enttäuschte italienische Ehefrau ihren Paparazzo nicht vorzeitig in die Arme einer anderen entlassen will, wird sich dieser trotz neuer EU-Verordnung auf die längere Wartezeit einrichten müssen.

Und ein weiterer Teufel steckt in den Übergangsvorschriften: Die Verordnung ist am 21.06.2012 in Kraft getreten. Wer noch vor diesem Termin ein Verfahren auf Feststellung des Getrenntlebens nach italienischem Recht eingeleitet hatte, der ist wegen der Übergangsvorschriften noch komplett nach altem Recht weiter zu behandeln, muss also die dreijährige Wartezeit absolvieren, obwohl er, wenn er bis zum 22.6. gewartet hätte, schneller geschieden werden könnte. So hat das jedenfalls das OLG Stuttgart (Beschluss vom 17.01.2013 - 17 WF 251/12 = BeckRS 2013, 01985) entschieden. Und wieder mal gilt: Die letzten werden die ersten sein...

Dienstag, 19. Februar 2013

OLG Saarbrücken: Eines Altersgrenze, bis zu der Kinder beim umgangsberechtigten Vater nicht übernachten sollten, gibt es nicht mehr.

Der Vater hatte Übernachtungsumgang beantragt und auch bekommen. die Mutter legte Beschwerde ein, sunter anderem mit der Begründung, zum Übernachten sei das 3 1/2 jährige Kind noch zu jung. Das OLG hebt auf den konkreten Sachverhalt ab, kommt dazu, dass keine Einwendungen gegen Übernachtungen beim Vater bestehen und hält hierzu grundsätzlich fest (Beschluss vom 23.01.2013 - 6 UF 20/13 = Beck RS 2013, 02405):
"In jüngerer Zeit wird in der Rechtsprechung - auch vor dem Hintergrund der zitierten Judikate des Bundesverfassungsgerichts (siehe insbesondere BVerfG FamRZ 2007, 1078) -eine generelle Altersgrenze für Übernachtungen in der Rechtsprechung soweit ersichtlich nicht mehr vertreten. Das bloße Alter eines Kindes ist kein maßgebliches Kriterium, das für die Frage der Anordnung von Übernachtungskontakten herangezogen werden (OLG Zweibrücken, FamRZ 2009, 134; OLG Nürnberg, FamRZ 2010, 741; OLG Brandenburg, FamRZ 2010, 1352; Palandt/Diederichsen, BGB, 71. Aufl., § 1684, Rz. 22; Völker/Clausius, a. a. O., § 2, Rz. 56 f., jeweils m. w. N.)."

Montag, 18. Februar 2013

OLG Saarbrücken: Wenn Papa kifft, kann man auch Kindesumgang ohne Übernachtung anordnen.

Der Vater beantragt Umgang mit Übernachtung des Kindes bei ihm und bekommt ihn auch zugesprochen. Dagegen erhebt die Mutter Beschwerde mit der Begründung, neben erheblichem Alkoholkonsum in Form von Wein und Sekt kiffe der Vater drei- bis viermal täglich. Der Vater hat dies - abgesehen von einem jugendlichen Probieren von Cannabis vor 20 Jahren und einem Konsum von vielleicht ein bis zwei Gläsern Wein pro Woche - durchgehend bestritten. In der Nachfolge hat die Mutter nicht einen einzigen konkreten - der Widerlegung durch den Vater zugänglichen - Vorfall, bei dem Alkohol- oder Drogenkonsum des Vaters eine Rolle gespielt hätte, zu benennen gewusst.

Da es keinerlei Anhaltspunkte für das behauptete Fehlverhalten des Vater gab, behielt das OLG Saarbrücken (Beschluss vom 23.01.2013 - 6 UF 20/13 = BeckRS 2013, 02405) die Übernachtungsregelung bei. Es hielt jedoch auch fest: 
"Eine Umgangsregelung ohne Übernachtung hält sich jedenfalls solange noch im Rahmen des durch § 1684 Abs. 1 BGB dem Richter eröffneten Ausgestaltungsspielraums - und ist daher keine Umgangseinschränkung im Sinne des § 1684 Abs. 4 BGB -, wie dadurch nicht aufgrund großer Entfernung zwischen den Wohnorten des Umgangsberechtigten und des Kindes eine faktische Umgangseinschränkung entsteht. Allerdings bedarf der Ausschluss von Übernachtungen auch bei geringer Distanz dieser Wohnorte besonderer Rechtfertigung, weil Übernachtungen des Kindes beim umgangsberechtigten Elternteil in der Regel dem Kindeswohl entsprechen."
Die Mutter hatte sich in Ihrer Beschwerdebegründung auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Ansbach (FamRZ 2011, 1802) berufen. Der dortige Sachverhalt sie nach Ansicht des OLG jedoch "...bereits auf den ersten Blick mit dem vorliegenden nicht einmal in Grundzügen vergleichbar; denn dort hatte der unbegleiteten Umgang beantragende Vater eingeräumt, in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum hinweg Cannabis konsumiert zu haben, und im Umgangsverfahren aus nicht nachvollziehbaren Gründen die Durchführung eines Drogentests verweigert".


Freitag, 8. Februar 2013

Kein Umgang für Neo-Nazi-Vater, wenn die Mutter aus der Szene ausgestiegen ist.

Ursprünglich waren beide Eltern in der rechtsradikalen Szene gewesen. Dann aber war die Mutter 2004 ausgestiegen und hatte über ein Aussteigerprogramm ihre Identität und die ihrer Kinder gewechselt, um einer Gefährdung für Leib und Leben aus dem Weg zu gehen.
Der in der Szene verbliebene Vater klagte auf Umgang mit den Kindern. Den verbot ihm das Amtsgericht bis 2009. Anschließend war das OLG der Meinung, ab Oktober 2012 sei ein begleiteter Umgang einmal monatlich wieder zumutbar. Ein Umgangspfleger sollte den Umgangsort bestimmen (OLG Dresden, Beschl. v. 23.07.2012, Az. 20 UF 770/08). Dagegen erhob die Mutter Verfassungsbeschwerde, und das BVerfG gab ihr Recht:
Wie ein Sachverständiger feststellte, leiden die drei Söhne an einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung aus dem autistischen Formenkreis und sind wenig belastbar. Ferner war "...die Mutter eine so genannte szeneprominente Person mit einer langjährigen Biografie als Rechtsextremistin. Sie ist nicht still ausgestiegen, sondern hat sich öffentlich zu ihren Ausstiegsmotiven und den Gefahren des Rechtsextremismus geäußert. Ein Bekanntwerden ihres Aufenthalts hätte, wie das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen dem OLG vergeblich nahezubringen versuchte, die Gefahr erheblich erhöht, körperlichem oder seelischem Druck ausgesetzt zu werden. Vor allem spontane Einzelaktionen von Rechtsextremisten, die ein Exempel statuieren wollen, wären zu befürchten gewesen. Die Dresdner Richter ignorierten diese Warnungen genauso wie einen Bericht der Aussteigerorganisation EXIT, der auf entsprechende Einzelfälle verwies" (Siehe die Details auf den Seiten der LTO).
Unter diesen Umständen gingen Sicherheit von Mutter und Kindern dem Umgangsrecht des Vaters vor. Das BVerfG (Beschluss vom 13. Dezember 2012, Az. 1 BvR 1766/12).