Montag, 23. September 2013

BGH gesteht beim Elternunterhalt großzügigen "Notgroschen" zu.

Auch derjenige, der seinen Eltern Unterhalt zahlen muss, wird nicht nur danach beurteilt, welches Einkommen er hat. Reicht nämlich sein Einkommen zur Zahlung von Unterhalt nicht aus, besteht auch beim Elternunterhalt die Pflicht, eventuell vorhandenes Vermögen Vermögen für die Zahlung des Unterhalts einzusetzen.
Allerdings gelten beim Elternunterhalt dafür andere Maßstäbe als beim sonstigen Verwandtenunterhalt. Unter anderem darf derjenige, der Elternunterhalt bezahlen muss, sich darauf berufen, dass er einen "Notgroschen", also eine Reserve für einen unerwarteten Bedarf aufgrund von Wechselfällen des Lebens behalten darf, der für die Unterhaltszahlung nicht zur Verfügung steht.
Lange Jahre hatte der BGH diesen "Notgroschen" recht knauserig beziffert. Er hatte nämlich Mitte der Neunzigerjahre entschieden, dass ein Vermögen in Höhe von 4.500,00 DM behalten werden dürfe und seitdem seine Rechtsprechung nicht mehr maßgeblich geändert.
Nun hat er zu Gunsten der Unterhaltspflichtigen einen großen Schritt nach vorn getan. In einer aktuellen Entscheidung vom 7.8.2013, Aktenzeichen XII ZB 269/12 (Hier die Pressemeldung zum Urteil) hält er fest, dass ein Arbeiter, dessen Bruttoverdienst unter 25.000,00 € jährlich liegt, der aber über eine abgezahlte Eigentumswohnung verfügt und außerdem einen Anteil an einer Ferienwohnung in Italien hat und der schließlich sogar noch sonstiges Vermögen in Höhe von etwa Euro 40.000,00 hatte, verlangen durfte, dass - Sonstige Freibeträge einmal außen vor - von diesem Vermögen ein Betrag von Euro 10.000,00 als "Notgroschen" für den Elternunterhalt nicht verwendet zu werden braucht.

Der BGH hält dabei ausdrücklich fest, dass dieser Betrag nicht grundsätzlich und immer als Pauschale gilt. Vielmehr hängt es von den Umständen des Einzelfalls, beispielsweise von den Einkommensverhältnissen und den sonstigen Unterhaltsverpflichtungen ab, wie hoch der "Notgroschen" sein dürfe. Im vorliegenden Fall hatte der Unterhaltspflichtige ein geringes Einkommen und ansonsten keine weiteren Unterhaltsverpflichtungen. Das bedeutet nichts anderes, als dass bei höheren Einkünften und weiteren Unterhaltsberechtigten sich auch der "Notgroschen" erhöhen kann.

C) Foto: birgitH  / pixelio.de

Freitag, 20. September 2013

BGH: die selbstgenutzte Immobilie bleibt beim Elternunterhalt grundsätzlich unberücksichtigt.

Wer Elternunterhalt zahlen muss, muss dafür im Zweifel auch mit seinem Vermögen herhalten, wenn sein Einkommen für die Zahlung nicht ausreicht. Von diesem Vermögen darf er aber einen erheblichen Teil als Freibetrag behalten. Dabei war lange Zeit streitig, ob auf diesen Freibetrag die selbstgenutzte Immobilie mit ihrem Wert anzurechnen ist oder ob diese Immobilie zusätzlich unberücksichtigt bleibt. Diese Frage hat der BGH nun im Sinne der Unterhaltspflichtigen entschieden.

Mit Urteil vom 7. August 2013, Aktenzeichen XII ZB 269/12 (Hier die Pressemeldung zum Urteil) hat er entschieden, dass der Wert einer selbstgenutzten Immobilie bei der Bemessung des Altersvorsorgevermögens eines auf Ehegattenunterhalt in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen grundsätzlich unberücksichtigt bleibt. Davon kann es zwar Ausnahmen geben, z.B.wenn die selbstgenutzte Immobilie überdimensioniert ist. Handelt es sich aber um einen nach den jeweiligen Verhältnissen angemessenen Wohnraum, ist dieser vor dem Zugriff des Unterhaltsberechtigten geschützt.

Wer also Gefahr läuft, Elternunterhalt zahlen zu müssen, muss hierfür eine normale, von ihm selbst bewohnte  Eigentumswohnung nicht einsetzen, sondern darf sie zusätzlich zu allen anderen Freibeträgen behalten.

(C) Foto: birgitH  / pixelio.de

Mittwoch, 18. September 2013

OLG Hamm zum Verfahrenswert bei "steckengebliebenem" Stufenantrag

Ein häufiges Problem: jemand macht sich Hoffnungen auf Unterhalt und stellt bei Gericht Stufenantrag: In der ersten Stufe begehrt er Auskunft über das Einkommen des Gegners und in der zweiten Stufe Zahlung auf der Basis der Auskunft.

Und dann ergibt die Auskunft, dass der Gegner gar nicht leistungsfähig ist, das Verfahren also um des "Kaisers Bart" geführt wurde. Es gibt keinen Raum mehr für einen Zahlungsantrag.

Welchen Wert hat so ein Verfahren, in dem buchstäblich nichts herauskommt? Null? Nein: Das OLG Hamm, Aktenzeichen II-11 W F3/13 = FamRZ 2013, 1420 gibt auch einem solchen Verfahren einen Wert; er ist nach den realistischen Erwartungen aufgrund der Antragsbegründung zu bemessen. Maßgeblich ist also nicht dasjenige, was der Antragsteller vorgerichtlich vom Gegner verlangt ( sich  also gewissermaßen "erträumt") hat sondern das, was er realistisch zu Beginn des Verfahrens erwarten konnte.

Lässt sich dieser Wert nicht ermitteln, geht das OLG vom "Auffangwert" des § 42 Abs. 3 FamFG KG aus, also von einem Wert von Euro 5000,00.

Interessant ist die Entscheidung auch deswegen, weil Sie einen Überblick über die Rechtsprechung zu dieser Problematik gibt. Es gibt nämlich Gerichte, die durchaus anderer Ansicht sind: Teilweise wird vertreten, dass der Wert anhand der vorgerichtlich geäußerten Erwartungen ( also doch nach dem "Erträumten") zu schätzen ist (zum Beispiel OLG Stuttgart, FamRZ 2012, 393). Teilweise soll, wenn sich ein Zahlungsanspruch nicht mehr ergibt, der Wert der Auskunftsstufe maßgeblich sein (zum Beispiel KG  NJW-RR 1998, 1615). In der vom OLG Hamm gelieferten Rechtsprechungsübersicht ist sozusagen für jeden was dabei ;-)

(C) Foto: birgitH  / pixelio.de

Dienstag, 17. September 2013

OLG Saarbrücken: In Familiensachen keine automatische Kostenaufhebung bei Vergleich

Im allgemeinen Zivilrecht ist die Sache klar geregelt: Schließen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, in dem keine Kostenregelung enthalten ist, gelten die Kosten als gegeneinander aufgehoben, § 98 ZPO.

Anders ist es im Familienrecht, wie das OLG Saarbrücken, Aktenzeichen 6 WF 77/13 = FamRZ 2013, 1419 jetzt feststellt. Enthält ein Vorbericht in einer Familiensache abgeschlossener Vergleich keine Kostenregelung, wohl aber eine übereinstimmende Erledigterklärung, so spricht das dafür, dass die Beteiligten der Auffassung sind, dass die Kosten nicht nach § 98 ZPO, sondern nach billigem Ermessen zu verteilen sind. Denn grundsätzlich entscheidet das Familiengericht nach § 243 Satz 1FamFG über die Kosten abweichend von den ZPO-Vorschriften nach billigem Ermessen. Deshalb kommt die in § 98 ZPO vorgenommene Wertung nicht zwingend zum Tragen. Vielmehr habe insbesondere bei übereinstimmender Erledigungserklärung das Gericht Spielraum für billiges Ermessen

Montag, 16. September 2013

KG: keine gemeinsame Sorge bei Fehlen einer tragfähigen sozialen Beziehung zwischen den Eltern.

Der nichteheliche Vater beantragte, ihm die gemeinsame Sorge einzuräumen. Die Mutter wendet sich dagegen und trägt unbestritten vor, der Vater habe seit der Geburt des Kindes keine Verantwortung für das Kind übernommen und die Mutter auch nicht unterstützt. Nachdem die Mutter dem Kind nicht den Namen des Vaters gegeben habe, sei es zum Kontaktabbruch gekommen. Der Vater ignoriere die Mutter bei persönlichen Kontakten; es bestünde lediglich ein E-Mail Kontakt zwischen den Eltern. Der Vater habe auch kein Interesse am täglichen Leben des Kindes.
Das Jugendamt spricht sich gegen die gemeinsame Sorge aus. Es sei vorauszusehen, dass anstehende Entscheidungen von erheblicher Bedeutung ohne Streit von den Eltern nicht getroffen werden könnten.

Unter diesen Umständen verweigerte das Kammergericht, Aktenzeichen 18 UF 215/11 = FamRZ 2013, 1409 dem Vater die gemeinsame elterliche Sorge. Die Installation des gemeinsamen Sorgerechts komme jedenfalls dann nicht infrage, wenn zwischen den Eltern keine tragfähige soziale Beziehung bestehe und der Vater auch kein Interesse daran habe, mit der Mutter eine tragfähige Kommunikationsbasis aufzubauen. Zudem droht die Gefahr, dass das Kind auch in Zukunft erneut gerichtlichen Verfahren in einzelnen Sorgerechtsfragen ausgesetzt sein wird.


Freitag, 13. September 2013

OLG Hamm legt Begriff der Erstausbildung weit aus und spricht Ausbildungsunterhalt auch noch nach mehrfachem Wechsel zu.

Studiert das Kind, bekommt es Ausbildungsunterhalt von seinen Eltern nur, wenn es sein Studium konsequent verfolgt. Wann das der Fall ist - darüber kann man trefflich streiten. Das OLG Hamm ist in einer aktuellen Entscheidung, Az.: II-7 UF 166/12 = FamRZ 2013, 1409 dem studierenden Kind sehr weit entgegengekommen - vielleicht zu weit:

Die Tochter hatte an einer Gesamtschule in NRW ihr Abitur mit nicht gerade glorreichen 3,2 bestanden und wollte Journalistik studieren, ein Fach, bei dem man entweder eine erstklassige Note für den Numerus Clausus braucht oder entsprechend lange warten muss.
Die Frau begann zunächst ein FH-Studium für Tourismus-und Freizeit Management, absolvierte dann ein Praktikum bei einer Fernseh-Produktionsfirma, ließ anschließend einen "Work and Travel"-Aufenthalt in Australien folgen, absolvierte anschließend ein weiteres Praktikum bei einer Tageszeitung und wurde schließlich für das Journalistik-Studium angenommen.
Das OLG Hamm sah diese Kette von Tätigkeiten noch als "Erstausbildung" an, wobei es besonders berücksichtigte, dass die Tochter "... eine nicht einfache Kindheit mit häufigem Wechsel des sozialen und schulischen Umfeldes..." hinter sich hatte.
Selbst die Tatsache, dass sie ihren Eltern einige der oben beschriebenen Umwege vorsätzlich verschwieg und überdies auch eigenen Verdienst nicht angab, konnte das OLG Hamm nicht dazu veranlassen, den Unterhalt zu versagen. Möglicherweise sei früherer Unterhalt verwirkt; das gelte aber nicht für den jetzigen neuen Ausbildungsabschnitt.

Die Entscheidung wird kritisiert von Borth, FamRZ 2013, 1409, der vor allem moniert, dass das OLG den unterschied zwischen erst-und Zweitausbildung verkennt und die Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs nicht systematisch durchprüft.

Donnerstag, 12. September 2013

Kammergericht: Wann muss Papa das Auslands-Studium des Kindes bezahlen?

Kosten für ein Studium des Kindes müssen Eltern grundsätzlich übernehmen, soweit die Ausbildung zügig absolviert wird. Gilt das aber auch für ein Auslandsstudium? Vor allem dann, wenn es wesentlich teurer ist als ein Studium im Inland?

Das Kammergericht, Aktenzeichen 17 WF 232/12 = FamRZ 2013,1407 hat dazu noch einmal Stellung genommen und wie folgt entschieden:

Ist zwischen Eltern und Kind abgesprochen, dass das Kind im Ausland studieren darf, müssen die Eltern die Kosten von Haus aus übernehmen.
Gibt es eine solche Absprache nicht, müssen die Eltern die Mehrkosten nur übernehmen, wenn ihnen die finanzielle Mehrbelastung wirtschaftlich zumutbar ist, wenn der Auslandsaufenthalt sachlich begründet und sinnvoll ist, um das angestrebte Ausbildungsziel zu erreichen und wenn der zusätzliche Unterhaltsbedarf unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles insgesamt angemessen ist.

Ähnliche Entscheidungen: BGH, FamRZ 1992, 1064, OLG Karlsruhe, FamRZ 2011,1303; OLG Dresden, 21 UF 619/05 und Amtsgericht Köln, FamRZ 2002,482.

Mittwoch, 11. September 2013

OLG Braunschweig: Wer sich billig einmietet, muss deshalb nicht mehr Unterhalt zahlen.

Mieter zu sein ist heutzutage meist ein kostspieliges Vergnügen. Die ständige Mietbelastung wird bei einer Unterhaltsberechnung deshalb auch mit einkalkuliert. Wer aber nicht Mieter sondern Eigentümer ist und deshalb keine Miete zahlt, muss deshalb umgekehrt einen Wohnvorteil gegen sich gelten lassen.
Die Leitlinien der Oberlandesgerichte sehen vor, dass in den jeweiligen Selbstbehalten des Unterhaltsverpflichten ein Mietanteil enthalten ist, im notwendigen Eigenbedarf gemäß Düsseldorfer Tabelle beispielsweise monatlich Euro 360,00.
Wer mehr zahlen muss, muss glaubhaft machen, sich nicht billiger einmieten zu können, dann wird sein Selbstbehalt erhöht.

Manchmal kommt es aber auch dazu, dass jemand weniger als Euro 360,00 Miete zahlt. Muss nun der Selbstbehalt um die weniger gezahlte Miete ermäßigt werden?

Das OLG Braunschweig, Aktenzeichen 1 UF 158/12 = FamRZ 2013, 1404 hat sich dagegen ausgesprochen. Wer in den Genuss einer billigen Miete kommt, muss deswegen nicht mehr Unterhalt zahlen. Denn gleich, ob man so Zahlung von Unterhalt verpflichtet ist, darf man mit dem verbleibenden Geld seine Lebenssphäre so gestalten, wie man das für richtig hält, zum Beispiel nur ganz wenig Geld für das Wohnen auszugeben.
Fazit: Eine billige Miete des Unterhaltspflichtigen erhöht den Unterhaltsanspruch des Berechtigten nicht, ähnlich auch BGH XII ZR 26/04 = FamRZ 2006, 1664, 1666