Dienstag, 17. November 2015

Künstliche Befruchtung: Vertragliche Unterhaltspflicht des Lebensgefährten der Mutter

Das Paar lebte nichtehelich seit 7 Jahren zusammen und wünschte sich ein Kind. Der Mann war jedoch zeugungsunfähig. Deshalb entschloss sich das Paar zur heteorologischen Insemination, also zur künstlichen Befruchtung. Der Mann war ausdrücklich einverstanden. Gegenüber dem die Insemination durchführenden Hausarzt hatte er auf einem "Notfall/Vertretungsschein" ausdrücklich handschriftlich vermerkt: „Hiermit erkläre ich, dass ich für alle Folgen einer eventuell eintretenden Schwangerschaft aufkommen werde und die Verantwortung übernehmen werde!"
Nach einigen vergeblichen Versuchen war der Hausarzt in seinen Bemühungen erfolgreicher als der Lebensgefährte: Am 18. Oktober 2008 kam das Kind zur Welt. Inzwischen war allerdings auch die Partnerschaft zerbrochen. Der Mann zahlte noch für die Erstlingsausstattung sowie für Oktober bis Dezember 2008 Unterhalt. Dann stellte sich auf den Standpunkt, es sei nicht sein Kind, wer nicht zeugungsfähig sei, sei auch nicht zahlungspflichtig.
Die Mutter klagte. Erstinstanzlich verlor sie, das OLG Stuttgart jedoch sprach ihr Unterhalt zu, und dieses Urteil wurde vom BGH (XII ZR 99/14 v. 23.09.2015) auch bestätigt: Eine Vereinbarung, mit der ein Mann die Einwilligung zu einer heterologen künstlichen Befruchtung einer Frau mit dem Ziel erteilt, die Vaterstellung für das zu zeugende Kind einzunehmen, stelle regelmäßig zugleich einen berechtigenden Vertrag zu Gunsten des aus der künstlichen Befruchtung hervorgehenden Kindes dar, § 328 Abs. 1 BGB. Damit ergebe sich für den Mann gegenüber dem Kind die Pflicht, wie ein rechtlicher Vater für dessen Unterhalt zu sorgen.
Auch wenn in diesem Falle der Mann nicht mit der Mutter verheiratet gewesen sei, sei entsprechend § 1600 Abs. 5 BGB zu verfahren. Nach dieser Vorschrift kann der verheiratete Mann einer künstlich befruchtet Mutter die Vaterschaft nicht anfechten, wenn er der Insemination zugestimmt hat.
Die Zustimmungserklärung bedürfe nach Auffassung des BGH keiner besonderen Form sondern lediglich einer bewussten Entscheidung. Auch § 1600 Abs. 5 BGB sehe für den Ehemann keinen Schutz vor übereilten Erklärungen vor, und gleiches müsse auch im vorliegenden Sachverhalt gelten. Im Unterschied zur jeweils formbedürftigen Anerkennung der Vaterschaft oder Adoption gehe es bei der Zustimmung zur Insemination nicht um die Übernahme der väterlichen Verantwortung für ein existierendes Kind. Vielmehr führe erst die Einwilligung des Mannes dazu, dass das Kind gezeugt und geboren werde. Wer eine solche Einwilligung abgibt, ist sich der Folgen bewusst und hat wie ein rechtlicher Vater für den Unterhalt des Kindes einzustehen.

Oder aus etwas anderem Blickwinkel zusammengefasst: Wer auf natürlichem Wege ein Kind zeugt, ist sich der Folgen des Vorgangs im Moment seines Stattfindens häufig nicht bewusst. Trotzdem muss er für die Folgen einstehen. Wer einer Zeugung unter Ausschluss seiner Person zustimmt und bewusst erklärt, für deren Folgen einstehen zu wollen, muss diese Folgen in gleicher Weise (erst Recht) tragen. Schutz vor übereilten Zeugungen gibt es nicht. Schutz vor übereilten Erklärungen mit gleicher rechtlicher Wirkung gibt es auch nicht.

(C) Foto Viktor Schwabenland  / pixelio.de