Donnerstag, 19. Mai 2016

Achtung! Elternzeit beim Arbeitgeber nicht per Fax beantragen! Formmangel!

Wer Elternzeit in Anspruch nehmen will, muss das schriftlich vom Arbeitgeber verlangen, § 16 BEEG. Geschieht dies innerhalb der von § 16 vorgegebenen Fristen, Wird bereits durch die Erklärung selbst das Arbeitsverhältnis Summe ruhen gebracht. Einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf es nicht. Das Verlangen auf Elternzeit ist damit eine einseitige, empfangsbedürftige und  rechtsgestaltende Willenserklärung.
Einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen, die der Schriftform bedürfen, werden aber nur wirksam, wenn die formgerecht errichtete Erklärung den Erklärungsempfänger zugeht, verlässt Palandt, § 126 Rz. 12. Die Übermittlung durch Telefax reicht nicht, BGH NJW 1997, 3169.
Und damit reicht es auch nicht aus, wenn das Verlangen auf Elternzeit per Telefax gestellt wird. Das hat das Bundesarbeitsgericht jetzt erneut entschieden.  - Urteil vom 10.5.2016, Aktenzeichen 9 AZR 145/15.




Mittwoch, 18. Mai 2016

BGH nochmals zum Beschwerdewert beim Auskunftsbeschluss - faktisch kein Rechtsmittel gegen den Beschluss, der zur Auskunft verpflichtet

Im Rahmen eines Elternunterhalts-Verfahrens wird die Ehefrau des in Anspruch Genommenen aus abgetretenem Recht (auf gut Deutsch: vom Sozialamt) verklagt, Auskunft über Einkommen und Vermögen zu geben. Das Amtsgericht verurteilt die Ehefrau zur Auskunft. Das OLG lässt die dagegen gerichtete Beschwerde nicht zu, da das Amtsgericht den Gegenstandswert korrekt auf unter 600 € (im vorliegenden Fall auf Euro 120,00) festgesetzt habe.

Dem schließt sich der BGH an: Bei einer Verpflichtung zur Auskunft bemesse sich das der Wertfestsetzung zu Grunde liegende Abwehrinteresse in erster Linie nach dem Aufwand an Kosten und Zeit, der mit der Auskunftserteilung verbunden sei. Dieser Aufwand sei im vorliegenden Falle allenfalls mit Euro 120,00 zu beziffern.

Die Hinzuziehung eines Steuerberaters oder einer anderen sachkundigen Person sei zum Zwecke der Erstellung der Auskunft nur in Ausnahmefällen erforderlich und können damit den Gegenstandswert auch nur in Ausnahmefällen erhöhen.

Faktisch läuft das darauf hinaus, dass gegen einen stattgebenden Auskunftsbeschluss im Prinzip kein Rechtsmittel mehr eingelegt werden kann.

BGH vom 16.3.2016, Aktenzeichen XII ZB 503/15

Dienstag, 17. Mai 2016

"Schatz, erinnere mich doch, dass ich noch einen Schriftsatz einwerfen muss." BGH: das reicht nicht zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht.

Der Kollege hatte die Beschwerdebegründungsfrist um einen Tag versäumt und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit folgender Begründung:

Am Tage des Fristablaufs sei sein Schriftsatz fertig gewesen. Er habe ihn zum Gerichtsgebäude mitgenommen, da er ihn selbst in Posteinlauf geben wollte; er habe selbst noch einen Beweisaufnahmetermin am Landgericht gehabt. Diesen Termin habe er wahrgenommen, obwohl er an Grippe erkrankt gewesen sei. Seine Frau habe ihn deshalb - und, weil sie in der Stadt noch einkaufen wollte - zum Gericht gefahren. Bevor er ausstieg, habe er seine Frau gebeten, ihn auf der Nachhausefahrt zu fragen, ob er den Schriftsatz eingeworfen habe.

Nach dem Beweisaufnahmetermin habe ihn seine Frau zwar abgeholt, sei aber inzwischen ebenfalls erkrankt gewesen. Er habe siedann nachhause gefahren und habe wegen körperlicher Erschöpfung dann nicht mehr daran gedacht, den Schriftsatz noch einzureichen.

Der BGH ist der Ansicht, dass bei dieser Konstellation der Anwalt seinen Sorgfaltspflichten nicht Genüge getan hat.
Zwar habe der BGH in NJW 1989, 1158 entschieden, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen, wenn der Rechtsanwalt vergisst, die von ihm mitgenommene Berufungsbegründung bei Gericht abzugeben, aber eine Kanzleiangestellte angewiesen hat, ihn nach Rückkehr in die Kanzlei darauf anzusprechen, ob er den Schriftsatz abgegeben habe. Die Anweisung an die Kanzleiangestellte sei eine geeignete Vorkehrungen zur Sicherung der Fristwahrung gewesen, weil sie gerade der Kanzleikraft erteilt worden sei, die die Berufungsbegründung geschrieben habe und die sich bisher als zuverlässig erwiesen habe.
Die Bitte des Kollegen an seine Ehefrau sei damit nicht vergleichbar. Zwar könne sich ein Rechtsanwalt für die Verrichtung einfachster Arbeiten wie beispielsweise Botengänge nicht nur seines Büropersonals sondern auch anderer nicht angestellter Personen bedienen, soweit sie ihm persönlich bekannt sind, hinreichend unterrichtet wurden und sich mehrfach in ähnlichen Fällen als zuverlässig erwiesen haben, BGH, FamRZ 2003, 368. Das lasse das Verschulden des Anwalts aber nur dann entfallen, wenn ihm an der Fristversäumnis dann keinerlei auch nur mit ursächliches Verschulden mehr treffe. Vorliegend seit dem Anwalt unschwer möglich gewesen, nachdem er seine Frau nachhause gebracht habe, nochmals in seine Kanzlei zu fahren, um den Schriftsatz zu faxen. Sei ihm dies gesundheitlich nicht möglich gewesen, hätte er dies aber - da ihm die Erkrankung bekannt war - von vornherein absehen können mit der Folge, dass er für diesen Fall Kanzlei intern zu anderen Maßnahmen hätte greifen müssen, um dafür zu sorgen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig bei Gericht ankommt.

BGH vom 20.4.2016, Aktenzeichen XII ZB 390/15

Montag, 16. Mai 2016

Vater tötet Mutter des Kindes. BGH gewährt ihm trotzdem VKH für das Umgangsverfahren

In einer spektakulären Entscheidung macht der Bundesgerichtshof klar, wie hoch er das verfassungsrechtliche Recht von Vater und Kind auf Umgang miteinander Einerseits und das Grundrecht von "Rechtsschutzgleichheit"andererseits ansiedelt:

Der Vater begehrt Verfahrenskostenhilfe für ein Umgangsrechtsverfahren. Er ist Vater eines 2011 geborenen Kindes. Im Oktober 2013 tötete er seine Ehefrau, die Mutter des Kindes in deren Wohnung, in der sich auch das Kind aufhielt. Im Mai 2014 wurde er unter anderem wegen Totschlags rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und befindet sich seither in Strafhaft. Er begehrt nun die gerichtliche Regelung von Umgangskontakten zwischen ihm und seinem Kind und sucht hierfür um Verfahrenskostenhilfe nach.

Das Amtsgericht verwehrt ihm diese mit der Begründung, aufgrund der Vorgeschichte verbiete sich ohnehin ein Umgang. Überdies sei die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig, da der Antragsteller öffentliche Mittel für ein Verfahren beantrage, das er durch ein vorangegangenes schwerwiegendes und vorsätzliches Fehlverhalten selbst ausgelöst habe. Durch die Straftat habe er das Zusammenleben mit dem Kind mutwillig selbst beendet und deshalb das Umgangsverfahren selbst verursacht.

Das OLG ist zwar der Meinung, dass zumindest denkbar sei, dass durch vorsichtige Umgangskontakte dem Kind der Verlust auch der zweiten Bezugsperson erspart werde und deshalb der Umgang nicht von vornherein ausgeschlossen sei. Allerdings folgt das OLG bei der Beurteilung der Mutwilligkeit den Argumenten des Amtsgerichts.

Der BGH gewährt Verfahrenskostenhilfe. Das Umgangsrecht habe Verfassungsrang, und ein verfassungsmäßiges Grundrecht müsse auch dem Straftäter gewährt werden, der eine Straftat wie die vorliegende begangen habe. Die Rechtsverfolgung sei nach § 114 Abs. 2 ZPO nur dann mutwillig, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beanspruchen könne, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Damit könne hier nicht von vornherein von Mutwilligkeit ausgegangen werden. Denn auch das OLG sei ja der Meinung, unter gewissen Umständen könne ein Umgang Sinn machen. In einem solchen Falle müsse aber auch dem Straftäter das in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz verbürgte Grundrecht der Rechtsschutzgleichheit gewährt werden.

Und im übrigen weist der BGH nochmals (Rz. 26 der Entscheidung) ausdrücklich darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sich eine extensive Auslegung des Begriffs der Mutwilligkeit verbiete.

BGH vom 13. April 2016, Aktenzeichen XII ZB 238/15