Dienstag, 17. Mai 2016

"Schatz, erinnere mich doch, dass ich noch einen Schriftsatz einwerfen muss." BGH: das reicht nicht zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht.

Der Kollege hatte die Beschwerdebegründungsfrist um einen Tag versäumt und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit folgender Begründung:

Am Tage des Fristablaufs sei sein Schriftsatz fertig gewesen. Er habe ihn zum Gerichtsgebäude mitgenommen, da er ihn selbst in Posteinlauf geben wollte; er habe selbst noch einen Beweisaufnahmetermin am Landgericht gehabt. Diesen Termin habe er wahrgenommen, obwohl er an Grippe erkrankt gewesen sei. Seine Frau habe ihn deshalb - und, weil sie in der Stadt noch einkaufen wollte - zum Gericht gefahren. Bevor er ausstieg, habe er seine Frau gebeten, ihn auf der Nachhausefahrt zu fragen, ob er den Schriftsatz eingeworfen habe.

Nach dem Beweisaufnahmetermin habe ihn seine Frau zwar abgeholt, sei aber inzwischen ebenfalls erkrankt gewesen. Er habe siedann nachhause gefahren und habe wegen körperlicher Erschöpfung dann nicht mehr daran gedacht, den Schriftsatz noch einzureichen.

Der BGH ist der Ansicht, dass bei dieser Konstellation der Anwalt seinen Sorgfaltspflichten nicht Genüge getan hat.
Zwar habe der BGH in NJW 1989, 1158 entschieden, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen, wenn der Rechtsanwalt vergisst, die von ihm mitgenommene Berufungsbegründung bei Gericht abzugeben, aber eine Kanzleiangestellte angewiesen hat, ihn nach Rückkehr in die Kanzlei darauf anzusprechen, ob er den Schriftsatz abgegeben habe. Die Anweisung an die Kanzleiangestellte sei eine geeignete Vorkehrungen zur Sicherung der Fristwahrung gewesen, weil sie gerade der Kanzleikraft erteilt worden sei, die die Berufungsbegründung geschrieben habe und die sich bisher als zuverlässig erwiesen habe.
Die Bitte des Kollegen an seine Ehefrau sei damit nicht vergleichbar. Zwar könne sich ein Rechtsanwalt für die Verrichtung einfachster Arbeiten wie beispielsweise Botengänge nicht nur seines Büropersonals sondern auch anderer nicht angestellter Personen bedienen, soweit sie ihm persönlich bekannt sind, hinreichend unterrichtet wurden und sich mehrfach in ähnlichen Fällen als zuverlässig erwiesen haben, BGH, FamRZ 2003, 368. Das lasse das Verschulden des Anwalts aber nur dann entfallen, wenn ihm an der Fristversäumnis dann keinerlei auch nur mit ursächliches Verschulden mehr treffe. Vorliegend seit dem Anwalt unschwer möglich gewesen, nachdem er seine Frau nachhause gebracht habe, nochmals in seine Kanzlei zu fahren, um den Schriftsatz zu faxen. Sei ihm dies gesundheitlich nicht möglich gewesen, hätte er dies aber - da ihm die Erkrankung bekannt war - von vornherein absehen können mit der Folge, dass er für diesen Fall Kanzlei intern zu anderen Maßnahmen hätte greifen müssen, um dafür zu sorgen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig bei Gericht ankommt.

BGH vom 20.4.2016, Aktenzeichen XII ZB 390/15