Montag, 21. November 2016

BVerfG: keine Chance für den Vater auf Umgang, wenn das zwölfjährige Kind den Kontakt kategorisch abgelehnt.

Die Eltern waren massiv zerstritten, und der Streit dauerte schon Jahre und hatte auch das Kind erheblich belastet, weil beide Eltern versucht hatten, das Kind zu beeinflussen.

Das Kind versuchte nun, seinen Solidaritätskonflikt dadurch zu lösen, dass es den Umgangskontakt zum Vater massiv ablehnte, um die Bindung zu seiner Hauptbezugsperson, der Mutter zu stärken. Es äußerte, es wolle keinen Kontakt mehr, bis es 18 Jahre alt geworden sei.

Das Amtsgericht schloss den Umgang auf Dauer aus und kam auch in einem von Amts wegen eingeleiteten Überprüfungsverfahren zu keinem anderen Ergebnis. Das OLG wies die Beschwerde des Vaters zurück, und das BVerfG nahm seine Verfassungsbeschwerde nicht an, die er auf eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 6 II GG und Art 8 EMRK gestützt hatte.

Die Instanzgerichte hätten einer gegebenen Gefahrenlage korrekt Rechnung getragen. Der vom Vater gewollte Umgang gefährde das Kindeswohl. Entschließe sich das Kind unter den gegebenen Umständen ausschließlich für die Mutter, sei dies von seinem Recht auf Selbstbestimmung gedeckt.
Zu Recht hätten die Instanzgerichte Zwangsmaßnahmen gegen die Mutter abgelehnt, da das Kind solche Maßnahmen als eigene Bedrohung seines etablierten Familiensystems angesehen hatte, die den Elternkonflikt nur noch gesteigert und damit auch die ablehnende Haltung des Kindes noch verstärkt hätten.

Auch und gerade weil beide Eltern die Ablehnungshaltung des Kindes verursacht hätten, weil sie nicht in der Lage waren, den zwischen Ihnen herrschenden Konflikt zu lösen, sei es sachgerecht, den Umgang nicht durch eine Aneinanderreihung befristeter Beschlüsse sondern durch einen Beschluss auf Dauer auszuschließen. Ein solcher Beschluss sei nach § 166 Abs. 2 FamFG von Amts wegen aufhebbar bzw. unterliege der Überprüfung bei einem neuerlichen Antrag der Eltern. Demzufolge seien die Rechte der Eltern nach Art 6 II GG, 8 EMRK nicht beeinträchtigt.

BVerfG 1 BvR 1547/16 v. 17.09.2016 = BeckRS 2016, 52361

Die Entscheidung wird kommentiert von Söpper in NZFam 2016,1050, der darauf hinweist, dass in der jüngeren Rechtsprechung dem geäußerten Willen des Kindes eine immer größere Bedeutung zukommt, und das auch dann, wenn er "...auf einer bewussten oder unbewussten Beeinflussung beruht..." Auch dann kann der "...Wunsch des Kindes beachtlich sein, wenn er Ausdruck echter und damit schützenswerter Bindung ist. Der Fokus wird auf die Situation des Kindes gerichtet, das versucht, sich durch die Ablehnung des Umgangs aus dem bestehenden Elternkonflikt herauszuhalten."

Fazit: Streiten, "bis der Arzt kommt", bringt nichts. Irgendwann muss man Ruhe geben und abwarten, was die Zukunft bringt.