Montag, 14. November 2016

OLG Dresden: Verfahrenskostenhilfe verfällt nicht sofort, wenn man seine neue Adresse nicht bekannt gibt.

Der Vater hatte im März 2014 für ein Umgangsrechtes Eilverfahren ratenfrei Verfahrenskostenhilfe bewilligt bekommen. Im Dezember 2015 fragte das Amtsgericht nach, ob sich seine finanziellen Verhältnisse geändert hätten und er sich nun an die Verfahrenskosten beteiligen können. Erst im Februar 2016 teilte der Vater (und das auch nur im parallelen Hauptsacheverfahren) mit, dass er seit September 2015 umgezogen sei. Im VKH-Prüfungsverfahren gab er keinerlei Erklärungen zu seinen aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen ab.

Das Familiengericht hob die Verfahrenskostenhilfe zu seinen Gunsten auf. Der Vater legte Beschwerde ein. Das Familiengericht stellte zwar umfangreiche Nachermittlungen an, an denen der Vater mitwirkte und kam zum Schluss, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht verbessert hätten. Trotzdem halte es der Beschwerde nicht ab, weil der Vater seine geänderte Anschrift nicht unverzüglich (und daher schuldhaft verspätet) dem Gericht mitgeteilt habe.

Dem wollte sich das OLG Dresden nicht anschließen. Es argumentiert:

"Dass die Änderungsanzeige rein tatsächlich unterblieben ist, reicht ...schon nach dem Gesetzeswortlaut als Aufhebungsvoraussetzung ebenso wenig aus wie schlichtes Vergessen seitens des mitteilungspflichtigen Beteiligten. Es muss vielmehr ein diesem vorwerfbares Fehlverhalten von erheblichem Gewicht festgestellt werden.

Dabei ist der Verschuldensmaßstab („absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit“) bei einer verspäteten Adressenänderungsanzeige nicht etwa geringer als in den anderen Tatbestandsalternativen des § 124 Absatz 1 Nr. ZPO § 124 Nr.4 ZPO. Insbesondere teilt der Senat nicht die Auffassung, die vorgenannten subjektiven Tatbestandsmerkmale seien im Falle einer verspäteten Erfüllung der Mitteilungspflicht von vornherein nicht heranzuziehen, weil mit der Pflicht zur „unverzüglichen“ Anzeige ein eigenständiger Verschuldensmaßstab („ohne schuldhaftes Zögern“) verbunden sei. Denn dieser aus § BGB § 121 BGB abgeleitete Verschuldensmaßstab ist deutlich geringer, als es grobe Nachlässigkeit oder gar Absicht wären. Es ist indes sinnwidrig, die gleiche Sanktionsfolge (Verlust der VKH) unter Heranziehung eines niedrigeren Verschuldensmaßstabs umso eher greifen zu lassen, je geringer der Unwertgehalt des Mitteilungsverstoßes ausfällt. Unterlässt es der mitwirkungspflichtige Beteiligte, eine wesentliche Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse anzuzeigen, wozu er seit 01.01.2014 von sich aus gehalten ist, und versucht er damit (zumindest dem äußeren Geschehensbild nach), sich eine ungerechtfertigte Zuwendung aus der Staatskasse zu erhalten, so wird die Sanktion erst ausgelöst, wenn ihm dabei Absicht oder grobe Nachlässigkeit nachgewiesen werden kann. Demgegenüber soll die Verpflichtung, eine Anschriftenänderung unverzüglich mitzuteilen, ohnehin nur sicherstellen, dass der Beteiligte für das Gericht im VKH-Überwachungsverfahren unproblematisch erreichbar bleibt, hat also eine reine Hilfsfunktion. Bei einem Pflichtenverstoß des Beteiligten in diesem eher nachgeordneten Bereich ohne weiteres die gleiche Rechtsfolge wie oben unter subjektiv deutlich weiteren Voraussetzungen eintreten zu lassen, und dies gerade auch in Fällen, in denen der Pflichtige seinen Fehler selbst behebt, hält der Senat weder vom Wortlaut noch durch Sinn und Zweck von § 124 Absatz 1 Nr. ZPO § 124 Nummer 4 ZPO veranlasst (im Ergebnis ebenso LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom  10.06.2015, Rechtspfleger 2015, Seite 654).

Auch die unterlassene Mitteilung einer Adressenänderung muss mithin auf Absicht oder grober Nachlässigkeit beruhen..." Und diese sah das OLG mithin nicht als gegeben an.

OLG Dresden, 20 WF 1201/16 = BeckRS 2016, 19101