Dienstag, 22. November 2016

OLG Köln: In Sorgerechtssachen ist die Meinung des nahezu volljährigen Kindes ausschlaggebend.

Das sechzehnjährige Kind lebt im Haushalt des Vaters. Bislang hatten beide Eltern gemeinsam die elterliche Sorge. Nun beantragt der Vater, ihm die Sorge allein zu übertragen, wobei das Kind selbst, der Verfahrensbeistand und des Jugendamt sich für diese Übertragung aussprechen und insbesondere die Behörden diese dringlich empfehlen. Das Amtsgericht hat aus Verhältnismäßigkeitsgründen Teilbereiche der Sorge - nämlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge, das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten und zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung sowie zur Vertretung des Kindes gegenüber Behörden - dem Antragsteller zu alleinigen Ausübung übertragen.
Dagegen beschweren sich beide Eltern, dringen aber beide beim OLG Köln nicht durch. Das OLG führt aus:
Das Kind"... Hat - im Verlauf des Verfahrens mehrfach gegenüber verschiedenen Stellen - eine klar akzentuierte und vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen in der Vergangenheit unmittelbar nachvollziehbare Meinung kundgetan, die der Senat ernst nimmt. Mag es auch sein, dass B den genauen Inhalt einer „Sorgerechtsentscheidung“ nicht in vollem Umfang dieses Rechtbegriffs einzusehen vermag, so ist ihm, das ergibt sich aus seinen Anhörungen, doch naturgemäß vor Augen, dass dies ein „weniger“ an (ansonsten notwendigem) Kontakt zur Antragsgegnerin bedeuten würde und er - aktuell - genau dieses Ergebnis auch für sich wünscht. Wenn die Antragsgegnerin hier der Meinung ist, er irre in seiner Einschätzung, ist dies eine abweichende Bewertung der Sachlage, die aber nicht dazu zwingt, die Ansicht von B als „vatergesteuert“ oder weniger aussagekräftig zu halten."

OLG Köln Beschl. v. 8.6.2016 – 10 UF 200/15 = BeckRS 2016, 17271

Die Entscheidung wird besprochen von Schwolow in NZFam 2016, 1051, der vorschlägt: "In vergleichbaren Verfahren sollte dies Anlass für die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sein, vor Einleitung eines solchen Verfahrens gerade bei zu erwartender streitiger Auseinandersetzung auch mit Kindern in diesem Alter und durchaus auch mit noch jüngeren Kindern zu sprechen, um ihnen die Bedeutung der elterlichen Sorge einerseits und das Gewicht ihrer Aussage hierzu andererseits klar zu machen. In manchen Fällen kann man durch ein solches Gespräch tatsächlich einen erneuten Denkprozess beim Kind auslösen und gerade wenn das Kind einseitig sehr stark beeinflusst sein sollte, vielleicht sogar eine daraufhin ehrliche Aussage erreichen. Auch für uns Anwälte hat in solchen Verfahren das Kindeswohl im Vordergrund zu stehen. Deshalb diese Anregung."