Sonntag, 11. Dezember 2016

"Für 'n Appel und 'n Ei" arbeiten? Oder: Warum der Stundensatz eines Anwalts eigentlich mindestens € 227,67 betragen muss.

Unterstellen wir mal - was ein Großteil unserer Justizkollegen vermutlich insgeheim vehement ablehnen wird - , wir Anwälte würden unsere Arbeit in etwa mit der gleichen Qualität und mit dem gleichen Engagement betreiben wie ein Vorsitzender Richter am Landgericht (oder ein Abteilungsleiter beim AG). Was müssten wir dann für unsere Arbeitsstunde verlangen, wenn wir das gleiche verdienen (oder sagen wir neutraler: einnehmen) wollten wie besagter Richter.

Christian Pothe, Geschäftsführer der Bucerius Education GmbH, hat das in einem Blog-Beitrag mal näherungsweise errechnet und ist dabei von folgenden Zahlen ausgegangen:



Richter mit Besoldung R 2, 45 Jahre alt mit 2 Kindern brutto
5.800,00
Zzgl. Vom Anwalt aufzubringende Sozialversicherung (AV plus KK) ca.
1.600,00
Wert des Urlaubs auf den Monat umgelegt
900,00
Krankheitsrisiko mtl.
150,00
Risiko Honorarausfälle und Geschäftseinbrüche, 20 % =
1.690,00
Erforderlicher Gewinn vor Steuern
10.140,00
Kostenquote durchschnittlich 50 %
10.140,00
Erforderlicher Umsatz daher
20.280,00
Das sind jährich
243.360,00

52 Arbeitswochen mit 5 Tagen ergeben Arbeitstage
260
Minus 10 Feiertage
10
Minus 30 Tage Urlaub
30
Minus 5 Krankheitstage
5
Minus 3 Tage Fortbildung
3
Rest Arbeitstage
212
à 8 Stunden
1.696 h
Davon 25 % administrative Tätigkeit und „business development“
424 h
Differenz 0 abrechenbare Stunden =
1.272 h

 243.360,00 : 1.272 = 191,32
19 % MWSt = 36,35
Brutto-Stundensatz 227,67

Sie verlangen weniger als 227,67 als Stundensatz, können nicht 6 Stunden am Tag abrechnen oder bearbeiten gar VKH-Sachen (im Familienrecht etwa 50 %)? Dann wissen Sie jetzt, wieso Sie am Wochenende Akten mit heimnehmen. 

Schönen Sonntag noch!

P.S. Danke an Christoph Nebgen für die Hinweise in seinem lesenswerten Blog-Beitrag:

Die Legende von der überlasteten Justiz