Donnerstag, 1. Dezember 2016

OLG Brandenburg: Gemeinsame elterliche Sorge - geht auch schriftlich!

Die Eltern waren so zerstritten, dass sie sich nur noch schriftlich austauschen konnten, und der Vater hatte seit längerer Zeit keinen Umgang mit den gemeinsamen Kindern mehr gehabt, weil diese, um einem Solidaritätskonflikt zu entgehen, den Umgang ablehnten; der Vater nahm damit praktisch am Kindesleben nicht mehr Teil. Trotzdem gab das OLG Brandenburg dem Antrag der Mutter auf Aufhebung der gemeinsamen Sorge nicht statt. Es argumentierte:

"Eingeschränkte Kommunikation unter den Eltern rechtfertigt noch nicht die Annahme der Einigungsunfähigkeit. Vielmehr können sie, solange ihnen die Konsensfindung, dies ist die Herbeiführung von Übereinstimmung und Gemeinsamkeit, zum Wohle des Kindes zumutbar ist, nicht aus der Verpflichtung dazu entlassen werden (Senat, FamRZ 2003, 1952, 1953; vgl. auch BT- Drucks. 17/11048, S. 17 sowie Palandt/Götz, BGB, 74. Aufl., § 1671 Rn. 16). Dabei verlangt die gemeinsame Sorge keinen ständigen und umfassenden Austausch über die Kindesinteressen, sondern es bedarf lediglich in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung der Gespräche und gemeinsamen Entscheidung (Senat, Beschluss vom 19.5.2009, a.a.O.).

Ebenso führen - selbst erhebliche - Streitigkeiten zwischen den Eltern nicht notwendig zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge (vgl. BGH, FamRZ 2005, 1167). Die Einigungsunfähigkeit muss gerade in Bezug auf das Kind vorliegen, d. h. die Eltern dürfen in grundsätzlichen Erziehungsfragen bzw. in allen Angelegenheiten des Kindes von erheblicher Bedeutung zu einer einvernehmlichen Regelung nicht in der Lage sein (BVerfG, FamRZ 2004, 1015; KG, FamRZ 2000, 504; Palandt/Götz, a.a.O., § 1671 Rn. 15). Eine Aufhebung der gemeinsamen Sorge setzt mithin voraus, dass sich diese nachteilig auf das Kind auswirken würde (vgl. BT- Drucks. 17/11048, S. 17)."

Und wenn man diese Prinzipien hochhalten wolle, könne man nur zum Ergebnis kommen, dass die gemeinsame Sorge im zu entscheidenen Fall aufrecht erhalten bleiben müsse.

Die Leitsätze des OLG:

"Allein der Umstand, dass die Eltern nur schriftlich miteinander kommunizieren, spricht nicht zwingend für die Aufhebung der gemeinsamen Sorge, wenn die Kinder durch die nicht optimale Kommunikation zwischen den Eltern nicht belastet werden.

Dass der Vater am Kindesleben unmittelbar nicht mehr teilhat, ist jedenfalls dann nicht ausschlaggebend, wenn der Vater sich auch dadurch zurückgenommen hat, dass er die Ablehnung des Umgangs durch die Kinder gegenwärtig akzeptiert."

OLG Brandenburg, 10 UF 209/14 v. 16.7.2015 = BeckRS 2016, 08365