Sonntag, 14. Januar 2018

Wechselmodell oder erweiterter Umgang? Kein Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt!

Was viele nicht wissen: Unterhaltsvorschuss nach dem UVG gibt es nach der derzeitigen Rechtsprechung nur dann, wenn die Eltern ein klassisches Aufenthaltsmodell pflegen, also ein solches, bei dem sich die Kinder bei einem Elternteil aufhalten und nur alle 14 Tage und in den Ferien Umgang mit dem anderen Elternteil haben. Wird der Umgang erweitert, gerät der Unterhaltsvorschuss in Gefahr:

Begründung:
Unterhaltsvorschuss bekommt nach § 1 Abs. 1 Nr 2 UVG nur derjenige, der mit den Kindern eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft pflegt. Nach der Rechtsprechung ist das dann nicht mehr der Fall, wenn das Kind regelmäßig einen Teil des Monats auch beim anderen Elternteil verbringt, BVerwG vom 11.10.2012, Aktenzeichen 5 C 20.11,  = NJW 2013, 405 ff dort Rz. 20.
Die häusliche Gemeinschaft im Sinne von § 1 UVG liegt schon dann nicht davor, wenn sich beide Elternteile die Betreuung des gemeinsamen Kindes zwar nicht hälftig teilen (Wechselmodell), sich das Kind aber so häufig beim anderen Elternteil aufhält, dass ein Elternteil eine spürbare Entlastung in der Kinderbetreuung erfährt, vgl. VGH München, Beschluss vom zwar 20. 4. 2016, Aktenzeichen 12 C 15.2382 = FamRZ 2016, 1972.

Das hat natürlich zur Folge, dass bei einem deutlich erweiterten Umgang, also einen solchen, der zu einer spürbaren Entlastung des anderen Elternteils führt, die Voraussetzungen für den Unterhaltsvorschuss nicht mehr gegeben sind. Die dadurch entstehende Situation ist mehr als pikant:

Jeder Elternteil gibt im Normalfall seine Kinder gern einmal etwas öfter ab, um dadurch eine Entlastung zu erfahren. Der andere Elternteil nimmt die Kinder auch gern, hat aber zugleich, sobald er wegen des Unterhaltsvorschuss in Regress genommen wird, ein gutes Argument gegen die Regressforderung: Denn der Unterhaltsvorschuss wurde zu Unrecht gezahlt, weil seine Voraussetzungen nicht vorlagen.
Erfreulich: Der Regress geht nicht durch.
Ärgerlich: Der Elternteil, der nach wie vor das Gros der Betreuungslast trägt, ist mit einer Rückforderung des Jugendamts nach § 812 Absatz 1, Satz 1, 1. Alt. BGB konfrontiert.

Also jede Menge Spielraum für Guerilla-Spielchen zwischen den Eltern. Wer einen Unterhaltsregress vermeiden will, nimmt die Kinder einfach etwas öfter. Wer unbedingt Unterhaltsvorschuss beantragen will, achtet peinlich genau darauf, dass der andere die Kinder nur alle 14 Tage kriegt, selbst wenn ein häufigerer Umgang für alle Beteiligten besser wäre.

Merkwürdige Rechtsprechung - aber wir müssen mit ihr kalkulieren und sie taktisch einsetzen. Und - wir haben eine Haftungsfalle mehr: Kommt es zu einem erweiterten Umgang, müssen wir darauf hinweisen, dass mit einem Unterhaltsvorschuss nichts mehr geht :-((