Mittwoch, 18. Juli 2018

VG Münster - Wer in der Schule Wodka trinkt, darf nicht mit zum Schüleraustausch.

Die Antragstellerin ist 14 Jahre alt und besucht die 8. Klasse der Sekundarschule O. Das Gericht geht nach summarischer Prüfung davon aus, dass die Antragstellerin am 5. Juni 2018 eine Flasche Wodka mit in die Schule gebracht, dort gemeinsam mit Mitschülerinnen mit Orangensaft gemischt sowie konsumiert und damit bewusst insbesondere gegen das Alkoholverbot nach §  54 Absatz V SchulG NRW verstoßen hat.
Mit auf den 5.6.2016 datierten Bescheid der Sekundarschule O erging ein Ausschluss von der Fahrt nach Frankreich für den Zeitraum vom 14.6.2018 bis zum 21.6.2018.

Die Antragstellerin erhob Widerspruch gegen den Bescheid und beantragte bei dem Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners anzuordnen.

Das Gericht hat den Antrag der Antragstellerin abgelehnt.

Angesichts der wiederholten Verstöße der Antragstellerin in der Vergangenheit, die bereits zu verschiedenen erzieherischen Einwirkungen, aber auch der Sache nach schon zu einer Ordnungsmaßnahme geführt haben, die eine nachhaltige Verhaltensänderung bei der Antragstellerin nicht bewirkt hätten, sei nicht erkennbar, dass hier der Beurteilungsspielraum überschritten wurde. Zudem handele es sich nicht um eine Klassenfahrt, sondern um eine freiwillige Fahrt des Französischkurses als Gegenbesuch der Partnerschule mit Unterbringung in Gastfamilien. Hier müssten die Schüler ein pflichtgemäßes Verhalten zeigen.

Details: NZFam 2018, 662mit Anm. Schwarz

Montag, 16. Juli 2018

OLG Oldenburg: Kein Mutterunterhalt ohne Vaterschaft

Unterhalt aus Anlass der Geburt nach § 1615l BGB kann nur die Mutter fordern, bei der die Vaterschaft entweder anerkannt oder festgestellt ist.

Das Gericht fasst die Rechtsprechung und Leteratur zum Thema wie folgt zusammen:

Für die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 1615 l BGB ist es erforderlich, dass die Vaterschaft entweder nach den §§ BGB § 1592 Nr.  3,  § 1600d Absatz 2 BGB rechtskräftig festgestellt oder nach den §§ 1592 Nr. 2, 1594ff BGB anerkannt ist (Reinken in: BeckOK BGB, Stand 01.11.2017, § 1615l Rn  Klinkhammer in: Staudinger BGB, Neubearbeitung 2018, § 1615l Rn 25; Schilling in: Kaiser/Schnitzler/Friederici/Schilling Nomos Kommentar BGB, 3. Auflage 2014, § 1615l Rn 5; Wever/ Schilling „Streitfragen zum Unterhalt nicht miteinander verheirateter Eltern wegen Kindebetreuung“ in: FamRZ 2002, S.  581ff; Huber „Unterhaltsverpflichtung des nichtehelichen Vaters gegenüber Kind und Mutter“ in: FPR 2005, F Seite 189 ff; Grün, „Vaterschaftsfeststellung und –anfechtung“, 2. Auflage 2010, Rn 138; OLG Celle, Beschluss vom 20.10.2008, 10 WF 336/08, FamRZ 2009,  Seite 704; OLG Köln, Urteil vom 13.10.2005,  Aktenzeichen 12 UF 67/05, NJW-RR 2006, S.  218ff; OLG Celle, Beschluss vom 17.11.2004,  Aktenzeichen  15 WF 273/04, FamRZ 2005,  Seite 747; OLG Hamm, Urteil vom 03.10.1988,  Aktenzeichen  UF 107/88, FamRZ 1989, S. Seite 619ff).

Mittwoch, 11. Juli 2018

Mietvertrag: Beide Eheleute stehen im Vertrag - nur einer unterschreibt - zustandegekommen?

Ein Fall aus dem Kanzlei-Alltag:

Das Ehepaar möchte in ein Seniorenwohnheim umziehen. Zuerst schaut er sich die Wohnung an und ist ganz angetan. Dann schaut sie sich die Wohnung an, ist ebenfalls angetan und unterzeichnet den ihr vorgelegten Mietvertrag, indem beide Eheleute als ausgewiesen sind.
Zuhause ließen beide den Mietvertrag gründlich durch und finden eine Klausel, aus der sich ergibt, dass aus Hygiene-Gründen regelmäßig der Kammerjäger bei schaut. Beide wollen die Wohnung nicht mehr und kündigen. Der Wohnheim-Betreiber akzeptiert die Kündigung, will aber 3 Monatsmieten. Was tun?

Lösung:

1. LG Berlin, Urteil vom 3.9.07 – 67 S 391/06 –
Ein Mietvertrag, der als Mieter beide Eheleute aufführt, kommt grundsätzlich erst zustande, wenn beide Ehegatten ihre Unterschrift geleistet haben. Ohne weiteres ist nicht von einer Vertretung des einen Ehegatten durch den anderen auszugehen.

Zu finden auf den Seiten des Berliner Mietervereins

Ferner: OLG Brandenburg,9 W 8/06 = FamRZ 2007, 558
Grundlagengeschäfte, zu denen auch das anmieten und kündigen einer Wohnung zählen, dienen nicht der Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs gemäß § 1357 BGB, so dass auch insoweit nicht automatisch ein Ehegatte für den anderen handelt.

Andere Meinungen: gibt es zuhauf.
vgl. z.B. Mieterverein Frankfurt

LG Frankfurt/Main, Beschl. v. 7.11.2003 – 2/11 S 59/03, PE 2006, 144


Leitsatz
Sind im Kopf des Mietvertrags mehrere Personen als Mieter genannt, so wird daraus der Wille der Beteiligten deutlich, dass alle genannten Personen Vertragspartner werden sollen. Leistet nur einer der Mieter seine Unterschrift, so ist in der Regel davon auszugehen, dass dieser in Vollmacht der anderen handelt und folglich auch die anderen Mieter sind.
Anmerkung
Für den Fall, dass die Mieter Ehegatten sind, ebenso LG Berlin, Urt. v. 27.5.1999 – 62 S 425/98, GE 1999, 1285.
Anders AG Frankfurt/Main, Urt. v. 24.1.2003 – 33 C 2128/01-50, unveröffentlicht.

Dienstag, 10. Juli 2018

OLG Brandenburg zur Frage der Mutwilligkeit bei der Verfahrenskostnhilfe - habwegs anwaltsfreundlich

1. Der Beurteilungszeitpunkt für die Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung liegt im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.

Das ist halbwegs anwaltsfreundlich. Besser wäre es gewesen, den Zeitpunkt auf die Einreichung des Antrags zu setzen, weil der Anwalt bei seiner Tätigkeit nur hier ansetzen kann.
Wesentlich schlimmer wäre es aber gewesen, wenn der Zeitpunkt auf den der tatsächlichen Gerichtsentscheidung gesetzt worden wäre. Denn das gäbe den Richtern die Möglichkeit, mit der VKH-Entscheidung so lange zuzuwarten, bis sich am Ende des Verfahrens herausstelt, dass die Sache leider doch keine Erfolgsaussichten hat. Das lehnt die Rspr. inzwischen gottlob weitgehend ab.

2. Sehr anwaltsfreundlich: Auf einen erfolglosen Versuch der Prozessvermeidung kann die Mutwilligkeit der  Rechtsverfolgung nicht gestützt werden, auch wenn die Erfolglosigkeit nicht von vorneherein auf der Hand lag, sondern sich erst nach Verfahrensbeginn aus dem Verhalten des Antragsgegners ergibt.

OLG Brandenburg v. 18.04.2018, 13 WF 68/18

Freitag, 6. Juli 2018

Auch der nicht Geschäfts- und Einsichtfähige kann einen Vorschlag zu seiner Betreuung machen.

Ein Betreuervorschlag nach § 1897 Abs 4 S. 1 BGB erfordert weder die Geschäftfähigkeit noch die natürliche Einsichtsfähigkeit des Betroffenen. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wusch kundtzut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden. Auch die Motivation des Betroffenen ist für die Frage, ob ein betreungrechtlich beachtlicher Vorschlag vorliegt, ohne Bedeutung. Etwaigen Missbräuchen und Gefahren wird hinreichend durch die begrenzte,  letzlich auf das Wohl des Betroffenen abstellende Bindungswirkung eines solchen Vorschlages begegnet, BGH v. 28.3.2018, XII ZB 589/17, s.A. BGH XII ZB 57/17 = FamRZ 2017, 1612

Der Wille des Betroffenen kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Persosn seinem Wohl zuwiderlauft. dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person  sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will, BGH XII ZB 589/17 v. 14.03.2018

Donnerstag, 5. Juli 2018

OLG Ddüsseldorf: Alleinige Sorge geht vor Sorgevollmacht

Besteht mangels tragfähiger Kommunikation und Kooperation der Eltern keine Grundlage für eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge, so ist die elterliche Sorge einem Elternteil zu übertragen, auch wenn der andere die Erteilung einer generellen Sorgerechtsvollmacht anbietet.

OLG Düsseldorf v. 7.12.2017, 1 UF 151/17

Mittwoch, 4. Juli 2018

KG zur Auswahl einer Schule für das Kind

Ist die Schulart für die Auswahl einer Schule zweitrangig, kommt es maßgeblich darauf an, inwieweit bei der Schulwahl für das Kind Kontinuität gewahrt werden kann.
Auszüge aus KG  13 UF 110/17 = FamRZ 2018,, 502

"Die Frage der Einschulung ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, über die gemeinsam sorgeberechtigte Eltern grundsätzlich Einvernehmen herstellen müssen, § 1627 BGB.
Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass eine der beiden zur Auswahl stehenden Grundschulen derartige pädagogische oder sonstige Vorteile bietet, dass nur diese eine Schule unter Kindeswohlaspekten infrage käme...
Wenn mithin das Schulkonzept kein entscheidendes Kriterium für die Frage ist, an welcher Schule die Einschulung für G... am besten ist, dann muss in die Entscheidung mit einbezogen werden, welche Folgewirkungen die von den Eltern gewünschte Einschulung an der von ihnen ausgesuchten Schule für das Kind hat..."
"...ist es nun einmal nicht von der Hand zu weisen, dass G... bei einem Besuch der Schule in B... nicht auf bestehende soziale Kontakte zurückgreifen kann. Sie kennt kaum Kinder an der Schule. Viele Kinder, die die Schule besuchen, werden sich aus dem bereits dort auch befindlichen Kindergarten kennen. Das nähere Wohnumfeld der Mutter ist nach deren Schilderung auch nicht dadurch geprägt, dass dort Familien mit gleichaltrigen Kindern leben, zu den Kontakt besteht. Insoweit bietet der Schulbesuch in S... einen klaren Vorteil, da G... mit sehr vielen Kindergartenkindern die Schule besuchen wird, mag sie derzeit auch mit keinem Kind sehr eng befreundet sein. Sie kennt auch Kinder aus den nächsthöheren Klassen, da diese ebenfalls den Kindergarten mit ihr besucht haben. Zudem besuchen auch ihre Cousine und ihr Cousin bereits diese Schule. Dies bietet dem Kind eine gewisse Sicherheit und Vertrautheit und erleichtert nach Überzeugung des Senats den Schulstart..."
"...Gegenwärtig erachtet es der Senat daher in der schwierigen Situation für G... für letztlich ausschlaggebend, dass ihr vertrautes Umfeld mit der Einschulung erhalten bleibt.

Außerdem werde dem Kind dadurch die Fortführung des bisher gelebten Wechselmodells ermöglicht.

Dienstag, 3. Juli 2018

OLG Bremen - Sorgerechtsvollmacht an das Jugendamt

Um Maßnahmen nach § 1666 zu vermeiden, kann der Sorgeberechtigte dem Jugendamt eine Sorgerechtsvollmacht erteilen, sagt das OLG Bremen, Beschl. v. 05.02.18, 4 UF 134/17 = FamRZ 2018, 689.
Dadurch können sich die Eltern aber nicht aus ihrer Veranwortung stehlen. Sind sind weiter zur fortdauerenden Kooperation und Kommunkation mit dem Jugendamt verpflichtet. Kommunizieren und kooperieren sie nicht, kommen gleichwohl Maßnahmen nach § 1666 BGB in Betracht..

Montag, 2. Juli 2018

OLG Frankfurt zum Kindesunterhalt im freiwilligen sozialen Jahr

Ob im freiwilligen sozialen Jahr Kindesunterhalt gezahlt werden muss, ist umstritten. Das OLG Frankfurt  hat entschieden, dass während des freiwilligen sozialen Jahres jedenfalls dann eine Unterhaltspflicht besteht, wenn das Kind bei Beginn noch minderjährig war und das Freiwilligenjahr auch der Berufsfindung dient.

OLG Frankfurt v. 4.4.2018 2 UF 135/17

Pressemeldung zum Urteil: https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de/pressemitteilungen/unterhaltspflicht-w%C3%A4hrend-des-freiwilligen-sozialen-jahres

Freitag, 29. Juni 2018

BGH zur Präklusion bei Unterhaltsabänderung

Ist ein Abänderungsantrag des Unterhaltsgläubigers auf Erhöhung des durch Urteil oder Beschluss titulierten Unterhalts vollständig abgewiesen worden, so kann ein spterer Abänderungtsantrag des Unterhaltsschuldners auf Herabsetzung in zulässiger Weise auch auf solche Tatsahcen gestützt werden, die schon im vorausgegangenen Abänderungsverfahren zu berücksichtigen gewesen wären.

BGJ v. 11.4. 2018,Az. XII ZB 121/17

Freitag, 4. Mai 2018

BGH zur Kostentragungspflicht bei Rücknahme einer Berufung

Der in 1. Instanz unterlegene Kläger hatte Berufung eingelegt und diese auch begründet. Auf rechtlichen Hinweis des Berufungsgerichts nahm er anschließend seine Berufung zurück. Nach Rücknahme der Berufung, allerdings bevor er etwas von Rücknahme wusste, reichte der Beklagte bei Gericht eine Berufungserwiderung ein. Der BGH hat jetzt entschieden, dass die hierfür angefallenen Kosten trotz Rücknahme der Berufung vom Berufungskläger zu erstatten sind, wenn sich der Berufungsbeklagte bei der Einreichung in nicht vorwerfbarer Unkenntnis der Rücknahme der Berufung gefunden hat, XII ZB 112/17. Dabei gilt ein Schriftsatz bereits als eingereicht im Sinne von VV-RVG 3201, wenn er so auf den Weg gebracht worden ist, dass sein Zugang ausschließlich von der Tätigkeit Dritter, also zum Beispiel des Postbeförderungsunternehmens abhängig ist, BGH, XII ZB 112/17 vom 7. Februar 2018.

Donnerstag, 3. Mai 2018

BGH: Abschluss einer Versicherung für Familienfahrzeug fällt unter die „Schlüsselgewalt“.

Da Eheleute eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft bilden, sieht § 1357 BGB vor, dass Geschäfte ein Ehegatte im Bereich der Haushaltsführung, also zur "angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie“ tätigt, auch den anderen Ehegatten verpflichten. Dazugehören z.B. der Kauf von Möbeln und unter Umständen sogar die Anschaffung eines nicht allzu teuren Fahrzeugs. Aktuell hat der BGH jetzt entschieden, dass auch der Abschluss einer Vollkaskoversicherung für Familienfahrzeug ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie im Sinne von § 1357 BGB sein kann, vergleiche BGH XII ZR 94/17.

Mittwoch, 2. Mai 2018

BGH: Unterhaltsansprüche verwirken nicht durch reinen Zeitablauf; es braucht zusätzlich das „Umstandsmoment"

Unterhaltsansprüche können nicht nur verjähren sondern vor Ablauf der Verjährungsfrist auch bereits verwirkt sein, wenn der Berechtigte sie einerseits längere Zeit nicht geltend gemacht und andererseits sich aus den Umständen ergibt, dass der Verpflichtete darauf vertrauen durfte, dass die Ansprüche in Zukunft nicht mehr geltend gemacht werden (zuletzt BGH vom 31. Januar 2018, XII ZB 133/17). Dabei stellt der Bundesgerichtshof an das Zeitmoment keine allzu strengen Anforderungen. Eine Verwirkung von Unterhaltsansprüchen kannten bereits dann gegeben sein, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die etwas mehr als ein Jahr zurück liegen. Allerdings reicht der reinen Zeitablauf für eine Verwirkung noch nicht aus. Es müssen Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte würde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen, so der BGH . Das Unterlassen der Geltendmachung kann für sich genommen noch kein berechtigtes Vertrauen darauf auslösen, der Anspruch werde auch in Zukunft nicht mehr geltend gemacht. Das gilt sogar dann, wenn der Unterhaltsanspruch zwar geltend gemacht, dann aber nicht mehr weiterverfolgt wurde. Hier muss es der Schuldner konkrete Anhaltspunkte haben, die darauf hindeuten, dass der Unterhaltsanspruch endgültig nicht mehr geltend gemacht wird. Achtung: Für die Verwirkung von Elternunterhalt gelten Regeln, die nicht ganz so streng sind: Zwar muss auch beim Elternunterhalt das Zeitmoment erfüllt sein. Das Umstandsmoment, also die "Vertrauensinvestition" ist jedoch beim Elternunterhalt nicht notwendig, vgl. Brudermüller, NJW 2004, 631. 639. selbst wenn der Unterhaltsberechtigte (oder die Sozialbehörde im Wege des Regresses) ankündigt, weitere Unterhaltsansprüche geltend zu machen, hat die Rechtsprechung dann keinen die Verwirkung hindernden Umstand angenommen, wenn zwischen der Ankündigung und der tatsächlichen Geltendmachung des Unterhalts für den fraglichen Zeitraum mehr als ein Jahr liegt, OLG Frankfurt, FamRZ 2000, 1391, vgl. zum Ganzen auch Hauss, Elternunterhalt, 5. Aufl.,Rz. 864

Montag, 19. Februar 2018

BGH: Keine konkrete Bedarfsermittlung mehr, wenn das bereinigte Familieneineinkommen nicht mindestens 11.000,00 mtl. überschreitet.

Nach einer aktuellen Entscheidung des BGH – XII ZB 503/16 (soll in der nächsten oder übernächsten Ausgabe der FamRZ veröffentlicht werden ) dürfen „… die Tatsachengerichte im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgehen, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden ist. Der Unterhaltsbedarf kann in diesem Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote bemessen werden (teilweise Aufgabe von Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637)“.
Höchster Einkommensbetrag gemäß Tabelle derzeit: Euro 5500,00. Konkrete Bedarfsermittlung damit erst ab einem Einkommen von Euro 11.000,00.

Sonntag, 14. Januar 2018

Wechselmodell oder erweiterter Umgang? Kein Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt!

Was viele nicht wissen: Unterhaltsvorschuss nach dem UVG gibt es nach der derzeitigen Rechtsprechung nur dann, wenn die Eltern ein klassisches Aufenthaltsmodell pflegen, also ein solches, bei dem sich die Kinder bei einem Elternteil aufhalten und nur alle 14 Tage und in den Ferien Umgang mit dem anderen Elternteil haben. Wird der Umgang erweitert, gerät der Unterhaltsvorschuss in Gefahr:

Begründung:
Unterhaltsvorschuss bekommt nach § 1 Abs. 1 Nr 2 UVG nur derjenige, der mit den Kindern eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft pflegt. Nach der Rechtsprechung ist das dann nicht mehr der Fall, wenn das Kind regelmäßig einen Teil des Monats auch beim anderen Elternteil verbringt, BVerwG vom 11.10.2012, Aktenzeichen 5 C 20.11,  = NJW 2013, 405 ff dort Rz. 20.
Die häusliche Gemeinschaft im Sinne von § 1 UVG liegt schon dann nicht davor, wenn sich beide Elternteile die Betreuung des gemeinsamen Kindes zwar nicht hälftig teilen (Wechselmodell), sich das Kind aber so häufig beim anderen Elternteil aufhält, dass ein Elternteil eine spürbare Entlastung in der Kinderbetreuung erfährt, vgl. VGH München, Beschluss vom zwar 20. 4. 2016, Aktenzeichen 12 C 15.2382 = FamRZ 2016, 1972.

Das hat natürlich zur Folge, dass bei einem deutlich erweiterten Umgang, also einen solchen, der zu einer spürbaren Entlastung des anderen Elternteils führt, die Voraussetzungen für den Unterhaltsvorschuss nicht mehr gegeben sind. Die dadurch entstehende Situation ist mehr als pikant:

Jeder Elternteil gibt im Normalfall seine Kinder gern einmal etwas öfter ab, um dadurch eine Entlastung zu erfahren. Der andere Elternteil nimmt die Kinder auch gern, hat aber zugleich, sobald er wegen des Unterhaltsvorschuss in Regress genommen wird, ein gutes Argument gegen die Regressforderung: Denn der Unterhaltsvorschuss wurde zu Unrecht gezahlt, weil seine Voraussetzungen nicht vorlagen.
Erfreulich: Der Regress geht nicht durch.
Ärgerlich: Der Elternteil, der nach wie vor das Gros der Betreuungslast trägt, ist mit einer Rückforderung des Jugendamts nach § 812 Absatz 1, Satz 1, 1. Alt. BGB konfrontiert.

Also jede Menge Spielraum für Guerilla-Spielchen zwischen den Eltern. Wer einen Unterhaltsregress vermeiden will, nimmt die Kinder einfach etwas öfter. Wer unbedingt Unterhaltsvorschuss beantragen will, achtet peinlich genau darauf, dass der andere die Kinder nur alle 14 Tage kriegt, selbst wenn ein häufigerer Umgang für alle Beteiligten besser wäre.

Merkwürdige Rechtsprechung - aber wir müssen mit ihr kalkulieren und sie taktisch einsetzen. Und - wir haben eine Haftungsfalle mehr: Kommt es zu einem erweiterten Umgang, müssen wir darauf hinweisen, dass mit einem Unterhaltsvorschuss nichts mehr geht :-((