Donnerstag, 27. April 2017

Leihmutter trägt Kind in den USA aus. US-Gericht: Die deutschen Ei- und Samenspender sind die Eltern. OLG Braunschweig erkennt das US-Urteil nicht an.

Die in Colorado/USA ansässige Leihmutter hatte "...ihre Gebärmutter zum Austragen von Embryonen für die Antragsteller zur Verfügung gestellt".  Vereinbart wurde für die Austrägerin ein Grundentgelt von 23.000,00 $, bei Bestätigung einer Schwangerschaft ein weiteres zu zahlendes Entgelt von 300.000,00 $ und bei Zwillingsschwangerschaft ein Entgelt von 500.000,00 $ vereinbart. Zusätzlich waren während der Schwangerschaft ein monatlicher Unterhalt von 3.000,00 $ nebst pauschalen Aufwandsentschädigungen für z.B. Fahrt- und Kleidungskosten, Haushaltshilfe, Massagen und Yogakurse zu leisten sowie unterschiedliche Beträge für die physischen und psychischen Belastungen durch Hormonbehandlungen, Embryonenuntersuchungen oder Fötenreduzierungen, Abtreibungen und für die Geburt je nach Art der Entbindung. 
Mit Urteil des District Court Boulder vom 15.09.2011 wurde verfügt, dass unverzüglich nach der Geburt der von der Leihmutter ausgetragenen zwei Kinder die Antragstellerin zu 2. zu deren rechtlicher Mutter und der Antragsteller zu 1. zu deren rechtlichem Vater bestimmt seien, mit allen Rechten und Pflichten für ehelich geborene Kinder. Dabei hat das Gericht unter anderem festgestellt, nach dem Uniform Parental Act/dem Gesetz zur einheitlichen Elternschaft nach § 19-4-101ff der Colorado Revised Statutes sei die Elternschaft der Antragsteller zu bestimmen. Die rechtliche Elternschaft folge nach dem Recht von Colorado nicht ausschließlich der Genetik, sondern könne sich nach dem Interesse der Kinder richten. Angesichts der Absicht der Vertragsparteien, dass die beabsichtigte Mutter und der beabsichtigte Vater die Eltern der ungeborenen Kinder sein sollten, diene es deren Interesse am besten, die Eheleute H. mit der Geburt der Kinder zu deren rechtlichen Eltern zu erklären.
Die am 14.11.2011 vom Colorado Department of Public Health and Environment ausgestellten Certificates of Live Birth/Geburtsurkunden der am ... geborenen Kinder männlichen Geschlechts weisen den Antragsteller zu 1. als Vater und die Antragstellerin zu 2. als Mutter aus.
L. und O. sind am 27.11.2011 mit den Antragstellern nach Deutschland eingereist und leben seitdem durchgehend in deren Haushalten in B., H. und B. G.; Besuche bei der Leihmutter in den USA finden nach Angaben der Antragsteller regelmäßig statt.
Das Jugendamt der Stadt B. hat mit Bericht vom 11.07.2013 Stellung genommen. Danach sei bei Hausbesuchen am 27.01.2012 und 21.06.2013 festgestellt worden, dass beide Kinder altersgerecht entwickelt, ausgeglichen und bei den Antragstellern beheimatet seien. Diese seien im Umgang mit den Jungen liebevoll, zugewandt und sicher, stellten mittlerweile die Hauptbezugspersonen für die Kinder dar und nähmen die Erziehungs- und Betreuungsverantwortung zuverlässig wahr. Aus Sicht des Jugendamtes sei es deshalb unbedingt erforderlich, den Verbleib der Kinder im Haushalt der Familie ... nachhaltig sicherzustellen und hierfür zeitnah den erforderlichen rechtlichen Rahmen zu schaffen.

Die Beschwerden der Antragsteller und die der betroffenen Kinder L. und O. sind gemäß § 58 FamFG zulässig, aber nicht begründet. Das Amtsgericht Braunschweig hat den Antrag auf Anerkennung der Entscheidung des District Court, County of Boulder vom 15.09.20111 zu Az. 11 SV 32 Division 14 nach OLG Braunschweig zu Recht zurückgewiesen.
Die Anerkennung der Entscheidung des District Court Boulder ist "... nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ausgeschlossen, da dies zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des nationalen Rechts offensichtlich unvereinbar ist." Das OLG führt unter anderem aus:

"Dieses bewusste Nutzen der Rechtsordnung eines anderen Staates, um unter Umgehung der Verbotstatbestände des nationalen Embryonenschutzes Rechte an Kindern zu erlangen, steht der nachträglichen Zuerkennung eines dem deutschen Recht entsprechenden Elternstatus entgegen. In derartigen Fällen des sogenannten Fortpflanzungstourismus ist Auftraggebern, die sich ihren Kinderwunsch unter Umgehung des Willens des deutschen Gesetzgebers erfüllt haben, die Anerkennung der Elternschaft wegen des damit verbundenen Ordre-public-Verstoßes grundsätzlich zu versagen. Vorliegend kommt hinzu, dass sich die Antragsteller nach eigenen Angaben zudem noch nicht hinsichtlich der Nutzung der verbliebenen, eingefrorenen Embryonen entschieden haben. Damit halten sie sich - neben der Möglichkeit, diese zu veräußern oder als Genreserve zu nutzen - auch deren Austragung offen. Im Hinblick auf die dann zukünftig geborenen Kinder käme die Anerkennung der rechtlichen Elternschaft der Antragsteller für L. und O. daher einem Aushebeln der gesetzlichen Grenzziehung zur Leihmutterschaft gleich. Wenn Antragsteller von vornherein die Grundlagen der nationalen Gesetzgebung missachten, besteht auch nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kein Anlass für die nationalen Gerichte, dieses Handeln nachträglich zu legitimieren..."

Entscheidung vom 12.04.2017 - Aktenzeichen 1 UF 83/13 = BeckRS 2017, 107276

Hochinteressant ist das weitere Bemühen der "Bestell-Eltern" auf der Vaterschafts-Anerkennungs-Schiene:

Ausweislich eines vom  Antragsteller zu 1. (Bestellvater) am 07.02.2012 beauftragten Abstammungsgutachtens des Universitätsklinikums H.-E. vom 09.02.2012 ist seine Vaterschaft mit einem Plausibilitätsgrad von W = 99,99% als praktisch erwiesen anzusehen, sofern kein naher Verwandter als Erzeuger in Frage kommt. Unter Bezugnahme auf dieses Gutachten beantragt der Ehemann der amerikanischen Leihmutter (vermuteter Vater nach § 1592 Nr. 1 BGB) mit Schriftsatz vom 16.02.2017 beim Amtsgericht Braunschweig in dem dortigen Verfahren zu Az. Aktenzeichen 247 F 36/17 AB die Feststellung, dass nicht er, sondern der Antragsteller zu 1. der Vater der Zwillinge L. und O. ist. Diesem Verfahren hat sich der Antragsteller zu 1. mit Schriftsatz vom 06.04.2017 mit dem Antrag angeschlossen festzustellen, dass er der Vater der am ... geborenen Zwillinge L. und O. ist.
Über diese Schiene lässt sich nach Feststellung der Vaterschaft zunächst im vereinfachten Verfahren nach § 1626a II BGB ein Sorgerecht des"Bestellvaters" erreichen. Die entsprechenden Erklärungen der amerikanischen Mutter werden einfach zu bekommen sein.
Ist der Bestellvater dann erst einmal sorgeberechtigt, ist schon mal das Jugendamt weitgehend außen vor.
Als Anschlussmaßnahme kommt dann eine Adoption durch die "Bestellmutter" in Frage, die aber wegen der Leihmutterkonstellation schwierig durchzusetzen ist, § 1741 I S.2 BGB. Die Adoption muss aus Sicht des Kindes "erforderlich" sein, was wohl kaum gegeben sein dürfte.
Aber auch hier wird sich der "ordre public" langsam wandeln - auch wenn es einem davor vielleicht gruselt. Die nächsten Jahre werden zeigen, wohin die Reise geht.