Mittwoch, 26. Februar 2014

Deutscher Familiengerichtstag positioniert sich zum "Wechselmodell": Nicht ohne Konsens der Eltern!

Der Vorstand des Deutschen Familiengerichtstags hat am 10.1.2014 auf seiner Homepage unter der Rubrik "Aktuelles" zur Problematik des Wechselmodells und insbesondere zu seiner Anordnung ohne Konsens der Eltern auf seine eigene Ansicht zu dieser Thematik wie folgt hingewiesen:

Zum Wechselmodell vertritt der Vorstand – im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH – die Ansicht, dass derzeit in rechtlicher Hinsicht kein Anlass besteht, ein nur erweitertes Umgangsrecht begrifflich gleichfalls als Wechselmodell einzuordnen. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass eine Klärung wesentlicher rechtlicher und tatsächlicher Grundlagen noch aussteht: Zwar erlaubt das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 GG aus Kindeswohlgründen die Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Zuweisung an nur einen Elternteil.
In die Ausübung der elterlichen Sorge darf hingegen ohne besondere Rechtsgrundlage nicht eingegriffen werden. Deshalb bestehen aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in die verfassungsrechtlich geschützte Elternautonomie schwerwiegende rechtliche Bedenken bei einem gerichtlich ohne Konsens der Eltern angeordneten Wechselmodell. Eine Rechtsgrundlage hierfür findet sich weder in § 1687 BGB noch in § 1684 BGB
und eine Analogie wäre an sehr enge Voraussetzungen geknüpft, deren Vorliegen insoweit gleichfalls äußerst fraglich erscheinen. Ein Elternkonsens hingegen kann gerichtlich akzeptiert und verstärkt werden (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2009 – 1 BvR 1868/08 – FF 2009, 416, 418 f), zumal es ohnehin in der Gestaltungsmacht der Eltern liegt, die Betreuung in einer den Belangen ihrer Kinder gerecht werdenden Weise autonom zu regeln. Daher besteht noch ein ganz erheblicher Klärungsbedarf für etwaige rechtliche Regelungen ohne Elternkonsens oder erst recht bei Hochstrittigkeit, zumal belastbare psychosoziale Untersuchungen zum Kindeswohl bei einem nicht konsentierten Wechselmodell für den deutschen Bereich fehlen. Ausländische Studien können angesichts der unterschiedlichen gesellschaftlichen Strukturen nicht unbesehen übernommen werden.

Die Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstags wird sich 2014 unter anderem mit dem Wechselmodell befassen. Arbeitsergebnisse des Familiengerichtstags zu diesem Thema werden zeitnah auf www.dfgt.de  veröffentlicht.


© Foto Gabi Eder  / pixelio.de

Donnerstag, 13. Februar 2014

Der BGH und der Elternunterhalt - Alter Wein in neuen Schläuchen

Internet und Blätterwald sind voll mit Nachrichten über die aktuelle Entscheidung des BGH zum Elternunterhalt. Wieder einmal scheint der BGH ein ungerechtes Verdikt getroffen zu haben: Selbst der Vater,der den Kontakt zu seinem Sohn abbricht, soll später trotzdem von ihm noch Unterhalt bekommen können. Und wie immer ergibt sich ein ganz anderes Bild, wenn man näher hinsieht:

1. Zunächst war die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs immer schon restriktiv, wenn es darum ging, Elternunterhalt nach § 1611 BGB verwirken zu lassen. Nur in Ausnahmefällen ging er und ging mit ihm auch die Instanz-Rechtsprechung davon aus, dass "... die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig..." wäre. Die Rechtsprechung geht nur dann von einer Verwirkung aus, wenn eine im Bereich des Elternteils gesetzte Ursache beim im Anspruch genommenen Kind so erhebliche Beeinträchtigungen hervorgerufen hatte, dass dessen Inanspruchnahme schlechthin unverständlich wäre (BGH vom 21.4.2004, XII ZR 251/01 = FamRZ 2004, 1097, hier die Pressemitteilung dazu). In diesem Fall hatte es der BGH mit einem Sachverhalt zu tun, in dem der Vater kriegsbedingt schwer psychisch geschädigt war, nach Kriegsende 50 Jahre lang in stationärer psychiatrischer Behandlung war und die auf Unterhalt in Anspruch genommene Tochter im Kindesalter wegen dieser krankheitsbedingten Kontaktlosigkeit erhebliche Einbußen an Lebensqualität erlitten hatte.

2. An Fälle wie diesen kam der konkret zu entscheidende (XII ZB 607/12 vom 12.2.2014 - hier die Pressemitteilung ) nicht hin. Die Eltern hatten sich getrennt, als der Sohn bereits volljährig war, wobei der Sohn im Haushalt der Mutter verblieb. 1972 legt er dann im Alter von 19 Jahren das Abitur ab, und dann brach der Kontakt zum Vater vollständig ab. Der Eltern-Kind-Kontakt "versickerte" also einfach. Irgendwelche weiteren dramatische oder gar traumatische Umstände, die auf den Vater zurückzuführen gewesen wären, gab es nicht.
Zu Recht hat der BGH in diesem Fall geurteilt, das der Abbruch des Kontaktes zwar gegen die familiäre Verpflichtungen zu Beistand und Rücksicht gemäß § 1618 a BGB verstoßen habe, für sich gesehen aber keine schwere Verfehlung im Sinne von § 1611 BGB darstelle.
Denn immerhin kann man - und so hat die Rechtsprechung schon früher geurteilt - ja auch dem volljährigen Kind den Vorwurf machen, aus Mangel an familiäre Gesinnung den Kontakt selber nicht gesucht zu haben (so zutreffend Hauß, Elternunterhalt: Grundlagen und Strategien, D. II. 2.).

3. das bedeutet aber nun nicht, dass es nicht auch Einzelfälle geben könnte, in denen man zu einer groben Unbilligkeit im Sinne von § 1611 BGB kommen könnte. Denkbar sind "Verstoßungen", verbunden mit der Weigerung, dem Kind wichtige Hilfestellungen zu geben. Ganz ausgeschlossen ist also die Anwendung von § 1611 Abs. 1 S. 1 Alt. 3 BGB nicht. Sie greift eben nur eng begrenzten Ausnahmefällen.

Und insoweit ist dasjenige, was der BGH entschieden hat, weder neu noch besonders revolutionär.


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