Kurz zum Stand der Diskussion: In letzter Zeit häufen sich die Fälle, in denen eine öffentliche Gewalt in den Zuständigkeitsbereich einer anderen verfassungswidrig eingreift, also das Prinzip der Gewaltenteilung gem Art 20 III GG verstößt:
- Der BGH entwickelt die Lehre von den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen", die sich vom Grundgedanken des § 1578 BGB so weit entfernt, dass Dieter Schwab dies schon im Vorwort der 18. Auflage seines Studienwerks "Familienrecht" aus der Serie "Grundrisse des Rechts" als "wundersame Rechtsprechung" qualifiziert. Inzwischen hat das BVerfG diese Rechtsprechung als Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzp aktenkundig gemacht.
- CDU/CSU und FDP einigen sich schon vor Regierungsbildung im Koalitionsvertrag darauf, das Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten in Kommunikationsnetzen nicht anzuwenden. Man wolle stattdessen auf die Selbstregulierungskraft der Internetwirtschaft setzen.
- Die CDU/CSU-FDP-Regierung beschließt, schon vor Abschaffung der durch § 1 WPflG gesetzlich vorgeschriebenen Wehrpflicht keine an sich Wehrpflichtigen mehr zum Dienst mit der Waffe einzuziehen.
- Eben diese Regierung setzt durch ein Atom-Moratorium im März 2011 die erst im Oktober 2010 durch Gesetzesänderung beschlossene Laufzeit-Verlängerung für Deutschlands Atomkraftwerke außer Kraft.
Um eins klarzustellen: Die Motivation der jeweils übergriffigen Gewalt war immer mindestens nachvollziehbar. Freiheit für's Internet! Mehr finanzielle Luft für die Zweitfamilie! Weg mit der Wehrpflicht! Fort mit der Kernkraft! Alles in Ordnung - alles im Mainstream. Aber das sich einschleifende laisser-faire im Hinblick auf eins der wesentlichen Prinzipien unser verfassungsrechtlichen Ordnung kann gleichwohl nicht hingenommen werden, und das macht Ewer in seinem Anwaltsblatt-Kommentar noch erheblich deutlicher als in seinem NJW-Beitrag: Ich zitiere:
"Machen derartige Beispiele Schule, drohen nicht nur langfristig die staatlichen Gewalten aus der für einen Rechtsstaat unverzichtbaren Balance zu geraten. Vielmehr wird auch dem "einfachen Bürger" kaum klarzumachen sein, warum er ihm wenig sinnvoll erscheinende Gesetze beachten soll, währen die Damen und Herren Regierungsmitglieder da auch schon mal fünf gerade sein lassen, wenn sie denn meinen, dass ihre Ideen besser sind, als das, was Bundestag und Bundesrat beschlossen haben".Und unter Berufung auf Montesquieu reklamiert er für sich und für alle Advokaten dieses Landes das Recht auf Protest:
"Als dem Recht verpflichteter Beruf muss die Anwaltschaft ihre Stimme erheben und jeder weiteren Erodierung des rechtsstaatlich-fundamentalen Prinzips der Gewaltenteilung unüberhörbar entgegentreten!"Und genau deshalb nimmt dieses Thema in diesem Blog so breiten Raum ein, der doch eigentlich seinen Schwerpunkt im Familienrecht hat.
In diesem Sinne...!