Montag, 15. Juli 2013

BGH: Kindesunterhalt auch dann noch, wenn sich die Ausbildung wegen Praktika um drei Jahre verzögert.

Die 1989 geborene Tochter lebte nach der Trennung ihrer Eltern im Jahr 1997 zunächst im Haushalt des Vaters in den Niederlanden, bevor sie 2003 zu ihrer Mutter nach Deutschland wechselte. Dort erwarb sie 2007 die mittlere Reife mit einem Notendurchschnitt von 3,6. Anschließend trat sie als ungelernte Kraft in verschiedene Beschäftigungsverhältnisse ein und leistete Praktika zum Teil in der Erwartung, auf diese Weise Zugang zu einem Ausbildungsplatz zu erhalten. Dadurch deckte sie ihren Unterhaltsbedarf in der Zeit von Juli 2007 bis Juli 2010 selbst ab. Im August 2010 begann sie eine Ausbildung als Fleischereifachverkäuferin und wollte nun vom Vater Ausbildungsunterhalt.

Dieser verweigerte die Zahlung mit dem Argument, die Tochter habe die Ausbildung zu lange unterbrochen und deswegen nun keinen Anspruch mehr darauf, dass er die nun fortgesetzte Ausbildung finanziere.

Der BGH, XII ZB 220/12  war anderer Ansicht. Hier ein Ausschnitt aus der Pressemitteilung: "Auch eine dreijährige Verzögerung der Aufnahme einer Erstausbildung infolge zwischenzeitlich geleisteter Praktika und ungelernter Tätigkeiten ...(kann)... noch der Obliegenheit des Kindes entsprechen... , seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen.
Bewerber mit schwachem Schulabgangszeugnis seien verstärkt darauf angewiesen, durch Motivation und Interesse an dem Berufsbild zu überzeugen. Dies könne auch durch vorgeschaltete Berufsorientierungspraktika oder mittels eines Einstiegs über eine (zunächst) ungelernte Aushilfstätigkeit gelingen. Die Aufnahme solcher vorgelagerter Beschäftigungsverhältnisse bedeute daher jedenfalls dann keine nachhaltige Obliegenheitsverletzung, wenn sie in dem Bemühen um das Erlangen eines Ausbildungsplatzes geschehe"