Dienstag, 17. Juli 2012

Verkehrte Welt! Enkelin will Umgang mit der Oma - aber Oma will angeblich nicht!?

Einen etwas abseitigen Fall hatte jetzt das AG Lüdinghausen, BeckRS 2012, 14938 zu entscheiden: Der Vater zahlte zwar Unterhalt, wollte aber mit seiner Tochter nichts zu tun haben. Als die Tochter in die Schule kam, erfuhr sie von Mitschülerin, dass es so etwas wie Großeltern gibt, bei denen es ganz toll ist! Sie fragte die Mutter, warum sie denn keine Oma und keinen Opa habe.
Oma und Opa mütterlicherseits waren weit weg, nämlich in Peru. Deshalb fragte die Mutter beim Vater an, ob nicht die Oma väterlicherseits Interesse an einem Kontakt habe. Der Vater lehnte das strikt ab mit der Behauptung, aus Alters- und Gesundheitsgründen wolle die Oma die süße Enkelin nicht sehen - recht unwahrscheinlich. Die Adresse der Oma gab er nicht preis. Daraufhin klagten Mutter und Enkelin auf Bekanntgabe der Adresse - und bekamen beim AG Lüdinghausen Recht.
Tatsächlich besteht ein Auskunftsanspruch des Vaters, der aus § 1618 a BGB folgt: Nach dieser Vorschrift sind Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig. Das Gericht bezog sich dabei auf eine Entscheidung des LG Münster NJW 1999, 726 und stellte fest, im Rahmen der Anwendung einer derartigen Generalklausel habe das Gericht einen weiten Ermessensspielraum, um die gegenseitigen Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten gegeneinander abzuwägen (vgl. hierzu und zu den Anforderungen BVerfGE 96, 56).
Weiter stellte das Amtsgericht fest:
"Ein schutzwürdiges persönliches Interesse der Antragstellerin an der Kenntnis der Personalien ihrer Großmutter ist nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, dass der Antragsteller behauptet, seine Mutter wolle keinen Kontakt. Zwar kann ein persönlicher Kontakt, geschweige denn ein Umgang, weder gegen den Willen des Großelternteils erzwungen werden noch wäre ein solcher Umgang kindeswohldienlich i. S. v. § 1685 BGB. Jedoch muss der Antragstellerin möglich sein, dies selbst zu überprüfen, was jedenfalls die Kenntnis der Personalien der Großmutter voraussetzt. Außerdem ist die Reaktion der Großmutter bei einer tatsächlichen Kontaktaufnahme nicht vorherzusagen. Bereits die Chance zu einer Kontaktaufnahme ist schützenswert (vgl. LG Münster a. a. O.)
Selbst wenn es nicht zu persönlichen Kontakten kommen sollte, ist die Kenntnis der Person ihrer Großmutter für die Entwicklung der Antragstellerin von Bedeutung. Die mit der Kenntnis der eigenen Herkunft einhergehende Identifikation mit sich selbst ist für die Persönlichkeitsentwicklung förderlich und damit ebenfalls ein schützenswertes Interesse (vgl. LG Münster a. a. O.). Zur für die Identitätsentwicklung förderlichen Kenntnis der eigenen Wurzeln gehört nicht nur die Kenntnis der Eltern, sondern auch diejenige der weiteren Familie. In diesem Rahmen haben insbesondere Großeltern in der Vorstellungswelt von Kindern eine wichtige, die Rolle der Eltern ergänzende, Funktion."
 Festzuhalten ist vor allem: Es gibt einen allgemeinen familienrechtlichen Auskunftsanspruch aus § 1618a BGB - und damit kann man doch arbeiten...

(C) Foto urulaia auf www.pixelio.de