Die Tochter hatte 2004 das Abitur mit einem Notendurchschnitt von 2,3 gemacht. Sie wollte Medizin studieren und bewarb sich zum Wintersemester 2004/2005 und dann durchgängig bis zum Wintersemester 2010/2011 bei der ZVS, ohne jedoch einen Studienplatz zugewiesen zu bekommen.
Deshalb begann sie im Februar 2005 eine Lehre als anästhesietechnische Assistentin, die sie im Januar 2008 mit der Gesamtnote 1,0 abschloss. Ab Februar 2008 arbeitete sie auch in diesem Beruf.
Endlich erhielt sie - für das Wintersemester 2010/2011 - einen Studienplatz im Fach Medizin zugewiesen und studiert seitdem.
Sie beantragte für ihr Studium BaFöG. Der Leistungsträger leitete die Unterhaltsansprüche gegen die Eltern auf sich über und machte, soweit BaFöG gezahlt wurde, Unterhaltsansprüche gegen die Eltern geltend. Diese fielen aus allen Wolken. Sie erfuhren erst vom BaFöG-Amt, dass ihre Tochter überhaupt studierte und wollten keinen Unterhalt zahlen.
Der BGH gab den Eltern Recht: Die Leistung von Ausbildungsunterhalt für ein Studium des Kindes kann einem Elternteil unzumutbar sein, wenn das Kind bei Studienbeginn bereits das 25. Lebensjahr vollendet und den Elternteil nach dem Abitur nicht über seine Ausbildungspläne informiert hat, so dass der Elternteil nicht mehr damit rechnen musste, noch auf Ausbildungsunterhalt in Anspruch genommen zu werden.
BGH, Beschluss vom 03.05.2017 - BGH Aktenzeichen XII ZB 415/16
Hier die Pressemeldung des BGH zum Urteil
Der BGH argumentiert weiter:
Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt ist vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Die Eltern müssen zwar Unterhalt zu Ermöglichung einer Berufsausbildung leisten. Demgegenüber hat das Kind aber die Pflicht, die Ausbildung mit Fleiß und gebotener Zielstrebigkeit und in angemessener und üblicher Zeit zu beenden.
Es gibt zwar keine feste Frist dafür, bis wann eine Ausbildung aufgenommen und bis wann sie abgeschlossen werden muss. Maßgeblich ist aber, ob den Eltern die Finanzierung unter Berücksichtigung aller Umstände in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit noch zumutbar ist.
Gerade bei Abitur-Lehre-Studium-Fällen kommt hinzu, dass die Eltern rechtzeitig wissen müssen, dass ihr Kind ein Studium anstrebt.
Je älter das Kind bei Aufnahme einer (weiteren) Ausbildung ist und je eigenständige es schon im Leben steht, desto weniger können die Eltern zur Zahlung von Unterhalt herangezogen werden. Das gilt vor allem, wenn die Zeiträume schon verstrichen sind, in denen die Eltern steuerliche Erleichterungen, Kindergeld oder kindbezogene Gehaltsbestandteile noch hätten in Anspruch können.
Erfahren die Eltern von den Ausbildungsplänen des Kindes erst zu einem Zeitpunkt, zu dem sie nicht mehr damit rechnen mussten, noch einmal Unterhalt zahlen zu müssen, kann die Zahlung von Unterhalt unzumutbar sein. Dabei spielt auch und vor allem eine Rolle, inwieweit die Eltern ihr Kind bereits im Rahmen einer vorhergehenden Berufsausbildung unterstützen mussten und ob Sie nun in der Erwartung, nicht mehr zahlen zu müssen, anderweitige wirtschaftliche Dispositionen getroffen haben (Beispiel: Anschaffung einer Immobilie auf Raten für das Alter).