Selbst wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte keine ehebedingten Nachteile i.S.v. § 1578 b BGB mehr hat, kann die geschuldete nacheheliche Solidarität dazu führen, dass ihm auf Dauer ein - wenn auch eventuell reduzierter - Unterhaltsanspruch erhalten bleibt. Das hat der BGH jetzt in einem bahnbrechenden neuen Urteil entschieden.
Die Eheleute waren 23 Jahre verheiratet gewesen, und die Antragstellerin hatte den gemeinsamen Sohn überwiegend allein erzogen. Ferner hatte sie den Haushalt der Ehegatten geführt hat, wegen der Kindererziehung für rund fünfeinhalb Jahre auf ihre Erwerbstätigkeit als Motopädin ganz verzichtet und wegen der Haushaltsführung während der gesamten Ehezeit nur mit deutlich reduzierter Stundenzahl gearbeitet. Jetzt arbeitete sie in ihrem Job als Motopädin wieder in Vollzeit. Der BGH unterstellte ihr, dass sie das Gleiche verdiente, wie sie ohne Ehe verdienen würde, kam aber zu dem Ergebnis, dass der Unterhalt trotzdem weiter zu laufen habe, vgl. XII ZR 202/08 vom 06.10.2010.
Durch die lange Ehedauer und die Gestaltung der Ehe habe sich eine wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Eheleuten ergeben, die dazu geführt habe, dass die Ehefrau hier auf die Weiterzahlung des Unterhalts vertrauen durfte. Hinzu kam noch, dass ihre Altersversorgung unzureichend war und sie in Zukunft noch eine bessere Versorgung aufbauen muss und dass sie nur sehr wenig, nämlich etwa 1150,00 € netto verdient, während ihr Ex auf über € 3000,00 netto kommt. Auch die Tatsache, dass der Ex-Mann inzwischen einer weiteren Ehefrau und einem weiteren Kind unterhaltspflichtig ist, konnte an der Einschätzung des BGH nichts ändern.
Ob der Unterhalt der Höhe nach zu begrenzen ist, überließ der BGH der weiteren Nachprüfung durch das OLG, an das er die Sache zurückverwies. Er wies aber darauf hin, dass auch Fälle denkbar seien, in denen auch eine höhenmäßige Kürzung des Unterhalts nicht in Frage komme.
Man fragt sich, wieso der BGH für diese Entscheidung, die vielen geschiedenen Ehefrauen existentiell weiterhilft, so lange gebraucht hat. Die Entscheidung des OLG stammt von Mitte 2008, die Revision hing also geschlagene 2 Jahre beim BGH. In der Zwischenzeit hat es viele Entscheidungen der Instanzgerichte und viele Vergleiche gegeben, in denen Frauen in ähnlichen Situationen mit erheblich schlechteren Ergebnissen abgespeist wurden. Sollten hier erst in den "Altfällen" nach der "Null-Euro-für die Ex"-Methode Tatsachen geschaffen werden, bevor man die Sache drei Jahre nach der Gesetzesänderung jetzt wieder in geordnete Bahnen lenkte?
Fokus-Familienrecht Schnell-Info zum Urteil (zum Vergrößeren Anklicken):
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