Donnerstag, 24. November 2016

OLG Hamm: Abitur 2006, Studienbeginn 2010 - Trotzdem muss Papa noch zahlen!

Die Tochter bestand im Juni 2005 ihr Abitur mit einem Notendurchschnitt von 2,6. Mit Schreiben vom 21.07.2005 informierte sie den Vater über ihre Absicht, ein Studium der Zahnmedizin aufzunehmen und auch darüber, dass sie für den Fall der Versagung eines Studienplatzes durch die ZVS vorab am 01.10.2005 eine studienvorbereitende Ausbildung antreten werde. Tatsächlich erhielt die Tochter trotz jährlicher Bewerbungen bei der ZVS erst zum Wintersemester 2010/11 einen Zahnmedizin-Studienplatz.
In der Zwischenzeit absolvierte sie bis zum 13.07.2007 wie angekündigt eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Angestellten und arbeitete danach bis zur Zulassung zum Studium in diesem Beruf; mit verringerter Stundenzahl ist sie auch jetzt neben dem Studium im erlernten Beruf tätig. Während der Zeit bis zum Beginn des Studiums hat sie vom Vater keinen Unterhalt verlangt oder bekommen.
Erst mit Schreiben vom 6.03.2011 hat sich die Tochter an den Vater gewandt und ihn gebeten, sich  an ihrem Unterhalt zu beteiligen.
Weil der Vater keine Zahlungen leistete, hat die Tochter gerichtlich Unterhalt geltend gemacht und diesen - nach Anrechnung ihres neben dem Studium erzielten Eigeneinkommens - nach Quoten berechnet und den Anteil des Vaters mit 230 €/Monat beziffert.

Das OLG Hamm gab der Tochter Recht, und das mit folgender Begründung: Der vom Bundesgerichtshof geforderte zeitliche Zusammenhang zwischen der Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten und dem Zahnmedizinstudium sei im Streitfall gegeben. Das liege allerdings nicht von vorneherein auf der Hand, weil die Antragstellerin eben nicht unmittelbar nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung am 13.07.2007 das Studium angetreten habe, sondern erst knapp drei Jahre später. Diese durchaus beachtliche „Zeitlücke“ sei allerdings nicht von der Antragstellerin zu vertreten und ihr unterhaltsrechtlich nicht vorzuwerfen. Die Verzögerung beruhe allein darauf, dass die Antragstellerin trotz regelmäßiger Bewerbung von der ZVS keinen Studienplatz zugewiesen erhielt. Sie habe nach Aktenlage alles ihr Zumutbare getan, um zeitnah studieren zu können. Sie habe nachgewiesen, sich durchgängig und ortsoffen bei der ZVS beworben zu haben. Darüber hinaus habe sie nachweislich - erfolglos - versucht, im angrenzenden Ausland einen Studienplatz zu erhalten. Sie habe die Zeit zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Studienbeginn nicht tatenlos verstreichen lassen, sondern im erlernten Beruf gearbeitet und damit das in der Ausbildung Erarbeitete weiter ausgebaut. Gerade auch die durchgehende Beschäftigung der Antragstellerin in dem studienvorbereitenden Beruf der zahnmedizinischen Fachangestellten schlage nach Auffassung des Senats eine Brücke zwischen Lehre und Studium und führt dazu, dass der zeitliche Zusammenhang im Streitfall (noch) zu bejahen sei.

OLG Hamm, Beschluss vom 12.03.2012 - II-4 UF 232/11 BeckRS 2012, 11811