Mittwoch, 2. November 2016

BVerfG: Kein Anspruch auf Feststellung der "Vaterschaft ohne Rechte und Pflichten".

Die im Jahr 1950 nichtehelich geborene Klägerin. vermutet, dass der 1927 geborene Beklagte des Ausgangsverfahrens ihr leiblicher Vater ist. Dieser hatte die Geburt der KLägerin seinerzeit gegenüber dem Standesamt angezeigt, ohne sich aber selbst als Vater zu bezeichnen. Dieverstorbene Mutter der Klägerin hatte dieser mitgeteilt, der Beklagte sei ihr leiblicher Vater. Dieser erkannte die Vaterschaft jedoch nicht an. Im Jahr 1954 nahm die Bf. den Ag. nach damaligem Recht auf „Feststellung blutsmäßiger Abstammung“ in Anspruch. Das LG wies die Klage im Jahr 1955 rechtskräftig ab. Im Jahr 2009 forderte die Bf. den Ag. zur Einwilligung in die Durchführung eines DNA-Tests auf, um die Vaterschaft „abschließend zu klären“. Der Ag. lehnte dies unter Hinweis auf die rechtskräftige Entscheidung des LG ab. Daraufhin nahm die Bf. im vorliegenden Ausgangsverfahren den Ag. auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und auf Duldung der Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe in Anspruch. 

Die Auslegung des § 1598 a BGB durch AG und OLG, wonach diese Regelung dem Kind keinen Anspruch gegenüber dem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater darauf gewährt, dass dieser in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligt und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe duldet, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die von der Bf. angestrebte erweiternde verfassungskonforme Auslegung der Norm kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Eröffnung eines isolierten Abstammungsverfahrens nicht von Verfassungs wegen geboten ist.

Die den angegriffenen Entscheidungen zu Grunde liegende Rechtslage, die weder in § BGB § 1598 a BGB noch an anderer Stelle einen solchen isolierten Abstammungsklärungsanspruch gegenüber dem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater vorsieht, ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Es verstößt insbesondere nicht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Kindes, dass es nach derzeitiger Rechtslage seine leibliche Abstammung von einem Mann, den es für seinen leiblichen Vater hält, der ihm jedoch rechtlich nicht als Vater zugeordnet ist, gegen den Willen dieses Mannes nur im Wege der Feststellung der rechtlichen Vaterschaft (§ BGB § 1600 d BGB), nicht aber in einem isolierten Abstammungsuntersuchungsverfahren klären kann.

BVerfG, Urteil vom 19.4.2016 – 1 BvR 3309/13 = NJW 2016, 1939 - hier die Pressemitteilung

Vorinstanzen: AG Borken (Beschl. v. 8.5.2013 Az.: 34 F 29/10, BeckRS 2016, 10290). OLG Hamm, Beschl. v. 23.10.2013 – II-12 UF 121/13, BeckRS 2015, 16728).

Weiterführendes Schrifttum:

Entscheidungsbesprechungen :Heiderhoff, NJW 2016, Seite 1918  und Löhnig/Plettenberg/Runge-Rannow, NZFam 2016, 408.
Zum Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren Wellenhofer, NJW 2008, 1185;
s.a. Muscheler, FPR 2008, Seite 257.