Donnerstag, 28. April 2011

BGH hilft bei Prozesskostenhilfe und Wiedereinsetzung in der 2. Instanz

Der letzte Tag der (bereits verlängerten) Berufungsbegründungsfrist war angebrochen. Der alte Anwalt des Berufungsklägers hatte noch Berufung eingelegt, dann aber das Mandat niedergelegt. Der Berufungskläger begründete nun die Berufung nicht, sondern beantragte PKH (unter Vorlage der notwendigen Belege), die Beiordnung einer neuen Rechtsanwältin, kündigte für den Fall, dass ihm PKH gewährt würde, einen Wiedereinsetzungsantrag an und fügte (zur Beurteilung der Erfolgsaussichten) einen Entwurf seiner Berufungsbegründung bei.
Das Landgericht verwarf nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist die Berufung als unzulässig; innerhalb der verlängerten Frist sei keine Begründung vorgelegt worden. Noch 6 Woche später beschied es den PKH-Antrag abschlägig.

Der BGH hob den Verwerfungsbeschluss auf und gewährte dem Berufungsführer Wiedereinsetzung. In seiner Entscheidung XII ZB 51/11 vom 23.03.2011 hielt er fest, dass die Vorgehensweise des Landgerichts das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletze.
Kein Gericht dürfe den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz unzumutbar erschweren, das habe das Landgericht aber getan.

Nach ständiger Rechtssprechung des BGH ist ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt so lange als ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Vornahme einer fristwahrenden Handlung (hier: Berufungsbegründung) verhindert anzusehen, wie er vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines PKH-Antrags rechnen muss. Das ist dann der Fall, wenn er sich für bedürftig im Sinne der §§ 114 ff. ZPO heißen darf und aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hat, damit das Gericht über sein PKH-Gesuch entscheiden konnte.
Selbst am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist könne noch ein Prozesskostenhilfegesuch eingereicht werden. Die Berufung dürfe dann nicht mit den Argument verworfen werden, dass innerhalb der Berufungsbegründungsfrist noch keine Begründung eingereicht worden sei. Grundsätzlich habe das Berufungsgericht zunächst über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden. Werde Prozesskostenhilfe versagt, müsse der Berufungsführer die Gelegenheit haben, Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen, wenn er beabsichtige, das Berufungsverfahren auf eigene Kosten fortzuführen (Hinweis auf BGH XIII ZB 80/03 = FamRZ 2004, 699).

Fokus-Familienrecht Schnell-Info zum Urteil ( zum Vergrößern Anklicken):


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