Die Schuldner, ein Ehepaar, waren Eigentümer eines Einfamilienhaus, dessen Zwangsversteigerung wegen hoher Schulden anstand; sie wohnten auch darin. Sie trugen vor, der erzwungene Auszug werde sie in den Selbstmord treiben und boten dafür Sachverständigengutachten an. Das LG Essen meinte, die Gefahr einer Selbsttötung sein nicht konkret genug vorgetragen und lehnte die Einstellung der Zwangsversteigerung ab. Der BGH hob die Entscheidung auf.
Das LG meinte, die vorgelegten Atteste würden kein psychisches Krankheitsbild ergeben, das zu einer zwanghaften Selbsttötung führe. Werde hier Selbstmord begangen, dann geschehe das aus freiem Willen. Wähle ein Schuldner jedoch angesichts seiner aussichtslosen wirtschaflichen und persönlichen Lage aus freiem Willen den Freitod, könne dies nicht zu einer Einstellung der Vollstreckung führen.
In seinem Urteil V ZB 215/09 v. 16.12.2010 = FamRZ 2011, 478 sah der BGH das anders: Bestehe die ernsthafte Gefahr der Selbsttötung, egal ob zwanghaft oder aus freiem Willen, sei die Zwangsversteigerung einzustellen. Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrteit gem. Art. 2 GG gehe vor. Zwar sei bekannt, dass Suizidabsichten oft nur vorgespiegelt würden, um ungerechtfertigt Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu erlangen. Böte der Schuldner jedoch für die Ernsthaftigkeit seiner Absichten ein Sachverständigengutachten an, dann müsse das Gericht diesem Beweisangebot nachkommen und so ermitteln, ob die Suizidabsicht nur vorgetäuscht ist oder tatsächlich existiert. Der bloße Verdacht, dass der Schuldner rechtsmißbräuchlich handelt, reicht nicht aus, die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung abzulehnen.
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