Freitag, 4. März 2011

Ist der Fleißige der Dumme? - BGH zur Unterhaltspflicht von Leuten mit Zusatz-Jobs

Stichwort "überpflichtgemäße Nebentätigkeit". Ich arbeite mehr, als ich muss und habe deswegen auch mehr in der Tasche. Muss ich von diesem "Mehr" nun auch noch Unterhalt zahlen? Eine jeweils für den Einzelfall zu beantwortende Frage, sagt der BGH.

Er hatte den Fall eines pensionierten Apothekers zu beurteilen, der auch nach Überschreiten der Regelaltersgrenze noch weiterarbeitete und auch aus dem Zuverdienst neben der Rente wegen Unterhalts in Anspruch genommen wurde. In seiner Entscheidung vom 12.01.2011, Az. XII ZR 83/08 = NJW 2011, 670 mit (wie üblich hervorragender) Anm. des Dortmunder Kollegen Winfried Born (von dem auch die provokative Frage in der Überschrift stammt, vgl. FamRZ 1997, 129) hat der BGH zunächst festgestellt, dass jeder, der das Regelalter für die Verrentung erreicht hat, auch unterhaltsrechtlich nicht mehr arbeiten muss. Tut er es trotzdem, handelt er "überpflichtgemäß".
Ob er vom Zuverdienst dann noch etwas abführen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Mit anderen Worten: Man muss jeden Fall im Detail anschauen.
Hat der Unterhaltsverpflichtete eigentlich auch schon mit der Rente genug zu beißen und arbeitet er etwa nur aus Neigung weiter, während der Berechtigte arg zu knapsen hat, dann kann man durchaus zum Ergebnis kommen, dass auch der Zuverdienst bei der Berechnung des Unterhalts mit einzubeziehen ist.
Arbeitet der Verpflichtete aber deshalb weiter, weil sein Ruhegeld (unverschuldet) zu knapp und er auf die Nebentätigkeit angewiesen ist kann es genauso sein, dass der Zuverdienst außer Ansatz bleibt. Born fasst das Für und Wider der Berücksichtigung des Zuverdienstes wie folgt zusammen:

Für die Berücksichtigung sprechen u.a.:
  • schlechte wirtschaftliche Verhältnisse
  • Schmälerung des Unterhalts durch unzureichende Altersvorsorge des Pflichtigen
  • ursprüngliche Planung der Eheleute
Gegen die Berücksichtigung sprechen u.a.:
  • Übertragung hoher Versorgungsanwartschaften oder Vermögenswerte auf den Berechtigten im Rahmen der Scheidung
  • fortgeschrittenes Alter des Pflichtigen
  • zunehmende körperliche und geistige Belastung durch die Zusatz-Arbeit
Es bleibt also dabei: Alles eine Frage von Treu und Glauben. Und eine Frage guter Sachverhaltsdarstellung. Wer detailliert und intelligent zu seinen finanziellen, beruflichen und Lebens-Verhältnissen vorträgt, fährt bei der Beurteilung zum Schluss besser, denn es gilt auch hier wie in vielen Fällen: "Mach's Maul auf - oder den Geldbeutel".  Unsere Anwaltskunst beim Sachvortrag ist also einmal mehr gefragt.

Fokus-Familienrecht Schnell-Info zum Urteil ( zum Vergrößern anklicken):



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P.S.: Heute berichtet Hans-Otto Burschel im Beck-Blog von einer Entscheidung des OLG Karlsruhe v. 24.02.2011 – 2 UF 45/09 = BeckRS 2011, 04661, in der das Gericht den Mehrverdienst eines niedergelassenen, pensionierten Arztes zu 50 % berücksichtigt hat