Mittwoch, 3. August 2011

BGH zum Unterhalt geschiedener Alleinerziehender - Rauschen im Blätterwald, aber nichts Neues

"BGH erhöht Druck auf Alleinerziehende"; so kam es gestern als breaking news in der Tagesschau, und auch die Süddeutsche Zeitung vom heutigen Tage verbreitet Panik:" Auch wenn sie (die Alleinerziehenden) ein Grundschulkind betreuen, müssen sie einen Vollzeitjob annehmen. Anspruch auf Unterhalt vom Ex-Partner haben sie nicht."
Tatsache ist: Die aktuelle Entscheidung des BGH enthält nichts Neues.
Sondern nur das, was alle Unterhaltsrechtler seit Anfang 2008 schon wissen, was im Gesetz, nämlich in § 1570 BGB steht und was sich der Gesetzgeber dabei gedacht hat (vgl. BT-Drucks. 16/1830):
  • Ohne weitere Begründung gibt es Unterhalt für die Betreuung eines Kindes nur bis zum dritten Lebensjahr des Kindes, § 1570 I BGB.
  • Wer danach noch Unterhalt will, kann ihn auch bekommen, allerdings nur, "...wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht", § 1570 II BGB. Wobei der Gesetzgeber ausdrücklich festgehalten hat, dass kein schlagartiger, sondern ein abgestufter Übergang zur Vollzeittätigkeit erfolgen muss, vgl. BT-Drucks. 16/1830.
  • Und dass die Weiterzahlung der Billigkeit entspricht, dafür muss vom Unterhaltsberechtigten im Einzelnen detailliert vorgetragen werden; und er ist für die entsprechenden Tatsachen auch beweispflichtig.
  • Ein wie auch immer geartetes Altersphasenmodell darf nicht mehr angewendet werden ( so schon BT-Drucks. 16/1830, S. 16), und deshalb hat der BGH  in der konkreten Entscheidung (Az. XII ZR 94/09 v. 15.06.2011) zum wiederholten Male festgehalten: "Selbst wenn das Oberlandesgericht hier nicht allein auf das Alter des Kindes abgestellt, sondern die von ihm dargelegten Altersphasen nur als Regelfall bewertet hat, innerhalb dessen die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, entspricht dies nicht der Rechtsprechung des Senats. Denn indem das Oberlandesgericht keine durchgreifenden individuellen Einzelumstände anführt, stellt es letztlich überwiegend auf den allein am Alter des gemeinsamen Kindes orientierten Regelfall ab. Dies widerspricht der gesetzlichen Neuregelung, wie der Senat bereits wiederholt ausgeführt hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn. 28)."
Nichts Neues unter der Sonne also, und man fragt sich, ob hier nicht das berühmte Sommerloch gestopft werden musste, das sich mit dem Beginn der bayerischen Sommerferien nun abgrundtief auftut. Jedenfalls kein Grund zur Panik: Der BGH hat seine Rechtsprechung nicht geändert - er hat sie nur noch einmal bestätigt.

Fakt ist, dass - wie die Richterin am OLG München Isabel Götz im Tagesschau-Beitrag richtig anführt-, es keine pauschalen Richtlinien mehr gibt, an denen man sich entlanghangeln kann; für jeden Einzelfall muss individuell vorgetragen werden. Mit anderen Worten: Unsere Anwaltskunst und unser Wissen ist gefragt - und das ist weder etwas Neues, noch ist es schlecht. Let's do it - we can!

Allerdings macht es Sinn, sich über die Voraussetzungen,  die der BGH für die Weiterzahlung des Unterhalts über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus verlangt, nochmals im Detail kundig zu machen. Deshalb wird das hier besprochene Urteil auch Gegenstand meiner Vortragsreihe im Herbst sein... :-)

(C) Foto Gerd Altmann auf www.pixelio.de