Sonntag, 8. August 2010

OLG Celle: Verfahrenskostenhilfe - keine Beiordnung eines Anwalts bei einstweiliger Gewaltsschutz-Anordnung

Die Bundesländer beklagen die hohe finanzielle Belastung durch die Verfahrenskostenhilfe. Der Gesetzgeber trug dem Rechnung, indem er in § 78 Abs. 2 FamFG die Beiordnung eines Anwalts nur vorsieht, wenn wegen der Schwierigkeit der Sache-und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Dabei ist gemäß BT-Drucks. 16/6308 die Erforderlichkeit der Beiordnung nach objektiven Kriterien zu bemessen.

Ein Teil der Gerichte hat sich den Sparwillen der Länder und die Intention des Gesetzgebers zu Herzen genommen. Insbesondere das Amtsgericht Hannover und ihm folgend das OLG Celle wollen die Beiordnung restriktiv handhaben und haben (Beschluss des OLG Celle vom 07.07.2010, Az.: 10 WF 215/10) hierzu recht rustikale Regeln aufgestellt:


Im zu entscheidenden Fall hatte eine der deutschen Sprache nur beschränkt mächtige Mutter von vier Kindern bereits dreimal (offensichtlich erfolglos) Antrag auf Wohnungszuweisung gestellt. Weitere Verfahren auf einstweilige Anordnungen waren zwischen den Parteien anhängig. Der Gegner war an anwaltschaftlich vertreten und war nun gewalttätig geworden. Die Polizei hatte ein Näherungsverbot für eine Woche erlassen und ein Strafverfahren eingeleitet. Am letzten Tag der Wochenfrist beauftragte die Antragstellerin eine Rechtsanwältin, Antrag auf einstweilige Anordnung/Gewaltsschutz zu stellen. Das Amtsgericht Hannover erließ die Anordnung, gewährte Prozesskostenhilfe, verweigerte jedoch die Beiordnung der Anwältin mit folgender, vom OLG Celle als "uneingeschränkt zutreffend" bezeichneter Begründung wie folgt:

  • Der Umstand, dass bereits etliche Verfahren zwischen den Parteien ( wohl offensichtlich bislang für die Antragstellerin nicht erfolgreich) anhängig seien, zeige, dass die Antragstellerin gerichtserfahren sei. Schon deshalb benötige sie keinen Anwalt.
  • Da die Polizei wegen der Gewaltausübung ein Näherungsverbot erlassen habe, sei die Sachlage einfach. Eine Vertretung durch einen Anwalt sei nicht erforderlich.
  • Innerhalb der Wochenfrist hätte die Antragstellerin (die vier Kinder allein betreut) genug Zeit gehabt, sich mit der Rechtsantragstelle des Gerichts in Verbindung zu setzen.
  • Ihre Sprachschwierigkeiten seien ebenfalls kein Grund für eine anwaltschaftliche Vertretung. Auch die beauftragte Anwältin spreche ja ihre Sprache nicht. Damit hätte sich die Antragstellerin mit der Rechtsantragstelle genauso gut (oder genauso schlecht) verständigen können. Im übrigen habe sie eidesstattlich versichert, den Inhalt der von ihr abgegebenen eidesstattlichen Versicherung verstanden zu haben. Sie spreche also ausreichend Deutsch.
  • Dass ihr Mann anwaltschaftlich vertreten sein, sei ebenfalls kein Grund, ihr einen Anwalt beizuordnen. Der Grundsatz der Waffengleichheit gelte in FG-Verfahren nicht. Das Gericht ( das ihr bisher nicht Recht gegeben hatte) sei verpflichtet, von Amts wegen alle Gesichtspunkte zu prüfen; im Verlauf des Verfahrens habe sich überdies herausgestellt, dass der Anwalt ihres Mannes gar nicht nennenswert aktiv geworden sei.

Über diese Begründung ließe sich trefflich diskutieren. Stattdessen sollte man sich der Lektüre des Beschlusses des BGH vom 23. Juni 2010 widmen, der dieser Sichtweise unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten jetzt eine klare Absage erteilt. Details zur BGH-Entscheidung finden Sie hier.

Für Seminarteilnehmer gibts hier das Seminarskript zum Thema

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