Montag, 9. August 2010

BGH zur Verfahrenskostenhilfe und zur Beiordnung eines Anwalts nach § 78 II FamFG

Aus dem Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip folgt das Gebot, Bemittelte und Unbemittelte weitestgehend gleichzustellen. Demzufolge hat das BVerfG bereits mehrfach entschieden, dass einem Unbemittelten immer dann ein Anwalt beizuordnen ist, wenn ein Bemittelter in gleicher Lage vernünftiger Weise einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte, vgl. BVerfG, Beschluß vom 17.02.1997 - 1 BvR 1440/96 = NJW 1997, 2103, 2104; Beschluß vom 22.06.2007 - 1 BvR 681/07 = NJW-RR 2007, 1713, 1714 und Beschluss v. 06.05.2009, 1 BvR 439/08.


In diesem Licht ist laut der Entscheidung des BGH v. 23.06.2010, Az. XII ZB 232/09 auch § 78 II FamFG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass es zu einer Beiordnung immer dann kommen muss, wenn ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftiger Weise einen Anwaltsauftrag erteilt hätte.
Dabei muss nicht etwa kumulativ die Sach- und Rechtslage schwierig sein; es reicht, wenn die Sach - oder die Rechtslage schwierig ist.
Die Erforderlichkeit der Beiordnung beurteilt sich nach den subjektiven Fähigkeiten des Betroffenen, z.B. der Fähigkeit, sich schriftlich oder mündlich ausdrücken zu können. Zwar spreche der Gesetzgeber in der BT-Drucks. 16/6308, S. 214 ausdrücklich nur von "objektiven Kriterien", jedoch sei aufgrund der eindeutigen Rechtsprechung des BVerG nicht vorstellbar, dass er die subjektiven Kriterien habe ausschließen wollen.
Der Grundsatz der Waffengleichheit gelte in FG-Verfahren zwar nicht. Gleichwohl könne der Umstand, dass der Verfahrensgegner anwaltschaftlich vertreten sei, ein Kriterium dafür sein, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich ist.

Quick-Info zum Urteil ( zum Vergrößern anklicken)

Post als PDF downloaden.
Für Seminarteilnehmer gibts hier das Seminarskript zum Thema