Montag, 25. Oktober 2010

BGH: Anwalt darf sich bei der Einhaltung von Fristen nicht auf die Vorgaben einer Zertifizierung gem. DIN EN ISO 9001: 2008 verlassen

In einer Kanzlei, die nach DIN EN ISO 9001: 2008 zertifiziert war, war ein Telefax zur Wahrung der Beschwerdebegründungsfrist irrtümlich nicht versandt worden. Die Mitarbeiter waren entsprechend der DIN belehrt und durch ein auf der DIN basierendes Handbuch instruiert worden. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass die im Handbuch niedergelegten Vorkehrungen zur Ausgangskontrolle nicht ausreichen. Er hat ferner festgestellt, dass sich der zertifizierte Anwalt nicht darauf verlassen darf, dass das Handbuch gem. Zertifizierung als Instruktion für die Mitarbeiter ausreicht; er hat sich zusätzlich selbst um eine wirksame Ausgangskontrolle zu kümmern.


Im Beschuss des BGH vom 22.09.2010, Az. XII ZB 117/10 ging es um folgenden Sachverhalt:

Die Beschwerdebegründung in einer Familiensache sollte am letzten Tage der Begründungsfrist nach Dienstschluss des Gerichts per Telefax eingereicht werden. Bei Unterzeichnung des Schriftsatzes instruierte der Anwalt sein Personal entsprechend, überwachte aber die Ausführung nicht mehr. Er verließ sich darauf, dass sich das Personal an die Weisungen im erwähnten Zertifizierungs-Handbuch halten würde, in dem verzeichnet war, dass sich der Versender eines Faxes nach dem Versenden durch einen Anruf beim Empfänger vom vollständigen Empfang überzeugen "solle".

Der BGH hielt diese Weisung gemäß Handbuch für nicht ausreichend. Eine wirksame Ausgangskontrolle läge nur dann vor, wenn sich der Versender das Faxprotokoll ausdrucken lasse und anhand des Protokolls die vollständige Übermittlung prüfe. Das sei hier nicht geschehen, und darauf sei im Handbuch auch nicht hingewiesen worden. Der Anwalt habe damit keine ausreichenden Vorkehrungen für eine Fax-Ausgangskontrolle getroffen. Abgesehen davon, dass die Ausgangskontrolle im Handbuch nur eine Sollvorschrift darstelle, sei mit dem im Handbuch vorgeschriebenen Prozedere insbesondere in den Fällen, in denen am letzten Tag der Frist nach Dienstschluss ein Schriftsatz per Fax bei Gericht eingereicht werde, keine wirksame Ausgangskontrolle möglich. Denn dann könne das Personal nicht mehr bei Gericht anrufen und sich vom ordnungsgemäßen Empfang überzeugen. In diesem Falle bleibt nur die Kontrolle qua Sendebericht.

Letztlich habe sich der Anwalt nicht darauf verlassen dürfen, dass das im Rahmen der Zertifizierung (wohl vom Zertifizierungsinstitut) erstellte Handbuch ausreichende Regelungen enthalte. Er sei selbst verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle beziehungsweise für entsprechende Weisungen Sorge zu tragen.