Mittwoch, 19. Januar 2011

Nachrichtenmagazin Focus: Angestellte Anwälte gehören zu den Topverdienern... (?)

Achtzehn Jahre wird der Focus diese Woche alt. Und wer volljährig wird, der hat auch das Recht, mal so richtig über die Stränge zu schlagen - nächtelang wegbleiben, einfach nach Griechenland fahren, das Konto für ne X-Box 360 abräumen oder so was. Aber dass unser jetzt auch volljährig gewordenes Nachrichtenmagazin "Focus" einfach Zahlen veröffentlicht, die vorsichtig ausgedrückt nicht so wirklich nachzuvollziehen sind, muss das wirklich sein? Auch wenn das Magazin nur einen Euro kostet?

Was ist Sache? Im Jubiläums-Focus von dieser Woche wird - mal wieder - eine Übersicht veröffentlicht, aus der zu entnehmen sein soll, was Angestellte welcher Berufsgruppen denn durchschnittlich so verdienen. Und für die Anwälte steht da ein Jahresgehalt von über 82.000,00 €. Durchschnittlich natürlich. Außerdem sind wir "grün unterlegt", was nach der zur Tabelle gehörigen Legende nichts anderes bedeutet, als dass wir mit zu den bestverdienenden Berufsgruppen gehören.

Soso.

Stellt sich die Frage, wieviel "durchschnittliche" Anwälte es denn tatsächlich gibt. Und wer sie wirklich bezahlen kann. Denn gezahlt wird aus dem erzielten Honorar-Umsatz. Und hierzu gibt es schon nachvollziehbare Daten:

Benno Heussen schreibt im AnwBl. 2009, 157ff., 161 "Tatsächlich wissen wir aus der Star-Statistik des Instituts für Freie Berufe, dass Einzelanwälte derzeit durchschnittlich 150.000 Euro und Anwälte in Sozietäten durchschnittlich 200.000 Euro Umsatz pro Jahr haben."

Welche Abzüge davon zu machen sind, bis wir überhaupt ans zahlen von Kollegen-Gehältern denken können, berichtet überzeugend der Kollege Schmeilzl. Und er kommt für den Anwalts-"Einzelkämpfer"  zu dem Ergebnis: "Ein Existenzgründer, der einen (respektablen) Umsatz von 100.000 Euro bei guter Kostenquote von 50 Prozent erreicht, kann also etwa 50.000 Euro an Einkommen mit nach Hause nehmen – allerdings brutto! Die allermeisten Einsteiger in die Selbstständigkeit erreichen das nach meiner Erfahrung aber nicht einmal ansatzweise."

Nur der Vollständigkeit halber: Von diesem "Brutto" sind nicht nur die bei Angestellten üblichen Abzüge zu machen, sondern es sind die komplette Krankenkasse und die komplette Altersversorgung ( also quasi auch die "Arbeitgeberanteile") abzuziehen. Was dann noch übrig bleibt, kann sich jeder selbst ausmalen. Kaum vorstellbar, dass in einem solchen finanziellen Umfeld durchschnittliche Jahresgehälter von 82.000 € gezahlt werden können. Ausreißer nach oben gibt es sicher, vgl. den Artikel von jurabilis über die Einstiegsgehälter bei Großkanzleien. Aber das Gros der Angestellten dümpelt wesentlich weiter unten herum, vgl. die einschlägige Veröffentlichung der Süddeutschen Zeitung.

Kein Grund zu jammern: Niemand wird gezwungen, Anwalt zu sein. Aber die Forderung des Anwaltsvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer nach einer 15 %igen Gebührenerhöhung ( vgl. auch insoweit den Kollegen Schmeilzl) kommt nicht von ungefähr.

Und wenn Benno Heußen im Blatt des Münchner Anwaltsvereins vor Jahren schon formulierte: Die meisten Anwälte verdienen nicht mehr als ein Kellner, dann ist das wohl nicht überspitzt, sondern entspricht durchaus den Tatsachen.

Achja - Kellner: Die sind in der Focus-Tabelle ocker unterlegt, gehören also mit zu den Berufsgruppen, die besonders schlecht verdienen...

(c) Foto Michael Grabscheid auf www.pixelio.de

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