Es ging um eine Erbauseinandersetzung. Die Mandantin hatte sich mit falschen Angaben beim Amtsgericht einen Beratungshilfeschein erschlichen, diesen dem Kollegen vorgelegt, und der war daraufhin aktiv geworden und hatte die Auseinandersetzung auf Beratungshilfe-Basis durchgeführt. Als sich später herausstellte, dass die Voraussetzungen für die Beratungshilfe gar nicht vorgelegen hatten, stellte er der Mandantin eine Gebührenrechnung über 775,64 €. Daraufhin beschwerte diese sich bei der Anwaltskammer.
Die Kammer schrieb den Kollegen an, der den Sachverhalt wahrheitsgemäß schilderte, darauf hinwies, dass die Voraussetzungen der Beratungshilfe gar nicht bestanden hätten und sich deshalb berechtigt gefühlt hätte, ordnungsgemäß abzurechnen. Daraufhin erstattete die Anwaltskammer (" offensichtlich", wie das BVerfG vermerkt) Strafanzeige wegen Gebührenüberhebung gegen den Kollegen, § 352 StGB. Das Amtsgericht zog die Beratungshilfeakten und die Akten der Rechtsanwaltskammer bei. Zusätzlich ordnete es die Durchsuchung der Kanzleiräume an, um die Handakte des Kollegen zu beschlagnahmen. Der gab die Handakte freiwillig heraus, legte aber Rechtsmittel gegen die Durchsuchung ein.
Das BVerfG, 2 BvR 1011/10 vom 05.05.2011 = NJW 2011. 2275, gab ihm Recht: Unstreitig hätten die Voraussetzungen der Beratungshilfe nicht vorgelegen. Das Amtsgericht hätte sich deshalb beim Erlass der Durchsuchungsanordnung schon im Vorfeld Gedanken darüber machen müssen, ob der Kollege hier vorsätzlich gehandelt habe; daran bestünden erhebliche Zweifel. Im übrigen sei der Sachverhalt anhand der Beratungshilfe-Akten des Gerichts und der Akten der Rechtsanwaltskammer ausreichend aufklärbar gewesen, so dass die Durchsuchung der Kanzleiräume unverhältnismäßig gewesen sei, da sie sich nur darauf richtete, zusätzlich die Handakte des Kollegen zu beschlagnahmen, die zur Beweisführung in der ihm vorgeworfenen Tathandlung (Erhebung von Gebühren ohne Rechtsgrund) nicht mehr erforderlich gewesen sei. Immerhin habe der Kollege selbst unstreitig gestellt, dass er trotz Vorliegens eines Beratungshilfescheins eine Gebührenrechnung erstellt habe.
Das Landgericht Hof als Vorinstanz hatte versucht, den Eingriff zu rechtfertigen, indem es argumentierte, schließlich sei die Beschlagnahme der Handakte auch dazu da gewesen, entlastendes Material aufzufinden(!). Das BVerfG stellte fest, die Ermittlung entlastender Tatsachen können einen Eingriff in die Grundrechte desjenigen (hier Art. 13 I GG), der entlastet werden soll, nicht rechtfertigen, wenn es dem Beschuldigten ohne weiteres möglich sei, solches Material im Rahmen seiner Verteidigung selbstständig vorzulegen (Hinweis auf BVerfG, NJW 2008, 2422).
Frage: Was kann der Anwalt machen, wenn er merkt, dass die Voraussetzungen der Beratungshilfe nicht vorliegen? Kann er das dem Rechtspfleger melden, der Beratungshilfe gewährt hat, oder ist das dann die Verletzung eines Privatgeheimnisses, § 203 StGB? Oder muss er den Armsünderlohn schlucken und die Leistungserschleichung des Mandanten auch noch decken, oder wäre das dann Strafvereitelung, § 258 StGB?
Ich bin für jeden Input dankbar...
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