Freitag, 22. Juli 2011

Verbot der Zwangsheirat - ist der neue § 237 StGB ein Papiertiger?

Es geht - unter anderem - um die kleinen, cleveren, flinken und freundlichen, perfekt deutsch sprechenden türkischen Mädchen mit den guten Schulnoten. Ihre Mütter werden vom anatolisch-patriarchalischen Vater daheim unter Verschluss gehalten. Sie gehen praktisch nie aus dem Haus und wenn, nur in Begleitung des Eheherrn. Deutsch sprechen diese Frauen nicht, weshalb die kleinen Töchter zum Einkaufen, zu den Behörden, einfach überall hin geschickt werden, um die Dinge des Alltags zu erledigen. Denn die kleinen Söhne sind  - als die heranwachsenden Männer - für derartigen Alltagskram nicht zuständig.

Irgendwann stellen die Partriarchen dann plötzlich fest, dass aus dem kleinen Töchterchen eine junge, 14 jährige Frau geworden ist, die hier in Deutschland erschreckend sozialisiert, Facebook- und SmartPhone-kundig ist, knallenge Jeans trägt, auf Justin Bieber steht, ein Tattoo will, von deutschen Jungs aus ihrer Schulklasse spricht und damit das Gegenteil von dem darstellt, was man sich in Anatolien unter einem braven türkischen Mädchen vorstellt.
Und dann kommt der nächste große Familienurlaub in der Türkei. Und von dem kommt das Girl plötzlich - wenn überhaupt - tief verschleiert, lang bewandet und mit Sprechverbot außerhalb der Schule zurück. Verheiratet ist sie jetzt - mit einem jungen Mann vom Heimatdorf, den die Eltern für sie ausgesucht haben. Und dabei war jede Menge List und Zwang im Spiel, denn eigentlich wollte sie gar nicht "heim" fahren, weil ihr schon irgendwas schwante...

Dem soll der neue seit 01.07.2011 in Kraft befindliche § 237 StGB jetzt abhelfen, der die Nötigung zu einer Zwangsheirat unter Strafe stellt. Er ist - wie das generell bei solchen Vorschriften so ist - gut gemeint, aber es wird sich weisen müssen, ob er wirklich funktioniert.
Denn wenn die ganze Familie dicht hält und sich die - praktisch immer sehr junge - Betroffene nicht aus der Deckung traut, werden sich der Zwang oder die List, mit der das Mädchen zur Eheschließung veranlaßt wurde nur schwer nachweisen lassen. Die Hürden sind hier ähnlich hoch wie bei der Anzeige einer Vergewaltigung. Von den Lehrern des vielleicht noch zur Schule gehenden Mädchens kann nur sehr begrenzt Hilfe erwartet werden - deren Kapazität ist ohnehin zu 150 % ausgelastet. Mehr als ein Elterngespräch wird nicht herausspringen, und bei dem wird herauskommen, dass sich das Mädchen freiwillige entschlossen hat, "den Schleier zu nehmen". Und dann tut man sich als Lehrer hart, "nach oben" oder gar bei der Polizei noch wegen dieser Sache vorstellig zu werden.
Und dann haben wir als weitere Hürde die vom Gesetzgeber in den neuen Tatbestand mit eingebaute Verwerflichkeit der Mittel-Zweck-Relation, die vom Vorsatz des Täters ebenfalls mit umfasst sein muss.Wer regelmäßig Nötigungen im Straßenverkehr verteidigt, weiss, wovon ich rede und weiss vor allem darum, dass der Mangel beim Vorsatz häufig eine Hürde darstellt, die eine Verurteilung verhindert; wir arbeiten schließlich alle damit. Ich will hier nicht  Beispiele bilden und damit auch noch Gebrauchsanweisungen liefern, aber ich befürchte, dass sich, wenn die Strafverfolgung der Zwangsheirat mal relevant anläuft, ähnlich wie bei den Straßenverkehrsfällen ein Pool bausteinartiger Ausreden bilden wird, auf die alle zurückgreifen und über die im Einzelfall nicht immer hinweggegangen werden kann.

Immerhin: Nach § 397 a StPO, der ebenfalls neu eingeführt wurde, steht der minderjährigen Zwangsverheirateten ein Rechtsanwalt als Beistand zu, allerdings nur auf Antrag, und der muss auch erst einmal gestellt sein.Wieder etwas, was die Betroffene von sich aus tun muss, wenn nicht die Ermittlungsorgane ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und sie auf ihr Antragsrecht hinweisen. Aber wer weiss, ob sie das überhaupt dürfen, denn so ein Anwalt kostet Geld, die Staatkasse ist leer und alle müssen sparen, und ob ein entsprechender Hinweis dann dienstlich noch erwünscht ist...?

Es wird nicht einfach...


(C) Foto Sternschuppe1 auf www.pixelio.de


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