Die Ehefrau beantragt die Scheidung: Ihr Mann habe einen "körperlichen Mangel" i.S.v. Art. 107 CSP (Code du Statut Personnel = marokkanisches Scheidungsrecht), wobei nach dieser Vorschrift ein körperlicher Mangel in einer ansteckenden Krankheit oder in der Unfähigkeit besteht, den Intimverkehr auszuüben.
Letzteres ist tatsächlich der Fall, wie das OLG Hamm (auf welche Weise auch immer) feststellt, jedoch war das schon vor Eheschließung so, und die Frau wusste auch davon. Auch das marokkanische Ehescheidungsrecht kennt den Grundsatz des "venire contra factum proprium": Wer heiratet, obwohl er weiss, dass dasjenige, was die Amerikaner schamhaft "the physical stuff" nennen, nicht stattfinden wird, kann sich nicht später deswegen scheiden lassen, Art. 108 Nr. 1 CSP.
Die Ehefrau wendet weiter ein, ihr Mann zahle keinen Unterhalt, auch das in Marokko ein Scheidungsgrund, Art. 98 Nr. 3 CSP. Allerdings nur, wenn der Mann nicht zahlen will, obwohl er es könnte. Das OLG stellt fest, dass es dem Ehemann nicht nur an der Manneskraft, sondern auch an der Zahlungskraft mangelt, so dass auch dieser Scheidungsgrund nicht vorliegt.
Damit sind alle denkbaren Scheidungsgründe für die Ehefrau verbraucht. Und damit kann sie nach marokkanischemn Recht nicht geschieden werden. Denn das marokkanische Recht sieht im Übrigen für die Ehescheidung nur ein einseitiges Verstoßungsrecht des Ehemannes vor, jedoch kein eigenes Antragsrecht der Ehefrau, und das verstößt natürlich gegen Art. 3 II GG und damit gegen den deutschen ordre public, Art. 6 EGBGB.
Und somit ist auf die Scheidung zwischen zwei Marokkanern plötzlich materielles deutsches Scheidungsrecht anzuwenden...
OLG Hamm, Az. II-6 UF 59/10 = FamRZ 2011, 1056
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